BG Leipzig

Stand der Linksjugend

Die Linksjugend ist immer noch geprägt von internen Konflikten, mit der sich jede Gruppe auseinandersetzen muss. Damit meinen wir nicht den immer noch brodelnden Konflikt um eine außenpolitische Position, sondern vor allem die Fragen um Inhaltsdiskurs vs. Alltagsrelevanz, Selbstbildung vs. Außenwirkung und was wir als Verband eigentlich sein wollen.

Die erste Frage ist eine Herausforderung, der sich die Basisgruppen einzeln stellen müssen. Es ist wichtig, eine Verbindung zwischen den inhaltlichen Fragen und dem Alltag der Leute herzustellen. Denn diese ach so trockenen Theoriedebatten sind eine Notwendigkeit, um die zurzeit geltende Verhältnisse zu verstehen. Dabei muss man es auf jeder Ebene schaffen, die Diskussion aufrechtzuerhalten, ohne in Banalität abzurutschen. Es darf dabei weder um einen Pseudoinklusion gehen, die so tut, als könnten Menschen aus unteren Schichten nicht auch komplexe Themen und Wörter verstehen, sondern es muss um den tatsächlichen Abbau von Wissenshierarchien gehen.

Die Frage. wie man einen akzeptablen Mittelweg zwischen Selbstbildung und Außenwirkung findet, ist eine, die schon mehre Plena bis in die Nacht hat gehen lassen. Wieviel Platz ist für Außenwirkung, wenn wir uns vorrangig auf unsere Selbstbildung fokussieren und andersherum? Während sich mehr und mehr um die Außenwirkung und die Generierung von Reichweite Gedanken gemacht wird, bleibt die Frage, wie wir mit der Selbstbildung verfahren. Denn es ist durchaus wichtig, diese beiden in Waage zu halten. Was nützt ein Lesekreis, von dem niemand etwas weiß? Andersherum, also purer Aktionismus ohne Theorie, ist ebenso fatal, obwohl dies zunächst nicht offensichtlich erscheint. Zu vielen Themen kann man auch eine Meinung haben, wenn man wenig Ahnung von den genauen Begriffen hat. Scheiße finden kann man Dinge auch ohne zu wissen, was diese bedeuten. Als Beispiel ist es einfach, sich Antifaschist zu nennen, ohne sich je darüber Gedanken machen zu müssen, was Faschismus nun genau ist: solange man wenigstens eine ungefähre Vorstellung hat, bzw. weiß das Faschismus ein böses Wort ist, genügt das den meisten. Zumindest würde uns diese Einstellung nicht von anderen Jugendorganisationen unterscheiden. Die Frage, die sich dann aber stellt: wozu es uns braucht, wenn es die Grüne Jugend doch schon gibt? Um

vernünftig unsere Position nach außen tragen zu können und uns unterscheidbar von anderen zu machen, braucht es auch die Kenntnisse davon, was denn nun „unsere Positionen“ genau sind. Hier reicht eine ungefähre Vorstellung, was Faschismus denn nun sein könnte, nicht aus, um konsequent gegen ihn vorgehen zu können, oder um wenigstens nicht alles als Faschismus zu titulieren, was einem nicht in den Kram passt. So ist es gut, wenn junge Menschen mit Aktionswillen zu uns kommen, doch darf es nicht allein dabei stehen bleiben, sondern man muss sich auch mit den Verhältnissen auseinandersetzen. Andererseits wollen wir es auch nicht bei Theoriearbeit belassen. Was das Scheitern der populistisch-linken Bewegungen verteilt über Europa zeigt, ist, dass linke Parteien ihre tatsächliche Grundlage und Idee verlieren und so mehr und mehr die Sozialdemokratie hofieren oder selbst eben in diese Position rutschen, wie es beispielsweise bei der Syriza-Partei der Fall war. Auch das Versagen Jeremy Corbyns beim Versuch, Labour durch Populismus nach links zu rücken, versinnbildlicht eben diese Fatalität. Reine Außenwirkung ist nicht mehr haltbar mit der vagen Idee von einem Unten gegen Oben! So brauchen wir einen guten Weg, um Selbstbildung und Außenwirkung vernünftig umzusetzen, ohne das Eines von Beiden zu kurz kommt. Bundesebene und Landesebene sollten hier vermehrt Bildungskooperationen, wie zum Beispiel mit der Rosa-Luxemburg Stiftung anstreben. So bleibt man nicht komplett auf den Kosten sitzen und kann gleichzeitig mehr Wissensvermittlung garantieren. Es muss ja kein Widerspruch zwischen Außenwirkung und Selbstbildung geben, wie der recht erfolgreiche Marx-Lesekreis aus Bayern in Zeiten von CoVid-19 zeigt. Die verschieden Ebenen der Lj müssen es schaffen, die Vorträge und Veranstaltung besser zu bewerben. Dabei sollten Informationen und Anhaltspunkte über erfolgreiche Vorträge und Referate in einer geteilten Datenbank vorliegen.

Was wir als Verband sein wollen, ist hier vermutlich die schwierigste Frage zum Stand der Linksjugend. Selbst betrachten wir uns als Sprungbrett und Parteikaderschmiede. Andere sehen in uns eher eine Plattform, die von verschiedenen politischen Akteuren und Bewegung genutzt werden kann, um ihre Botschaft zu verbreiten. Um uns als Gruppe jedoch eigenständig zu positionieren, wäre es wichtig, ein eigenes Profil zu erarbeiten, was sich tatsächlich nach außen darstellen lässt. Hier darf man weder nur Parteiflügel werden noch jeder Gruppe als Verbreiter von Inhalten zu Verfügung stehen. So muss sich die Linksjugend durch eine eigene Position vor der Vereinnahmung ihres Namens schützen. Das Bundesjugendplenum wäre ein guter erster Schritt zur Diskussion über solche Positionen, die sich aus unseren Beschlüssen ergeben sollten. Man kann nur hoffen, dass das nach CoVid-19 wieder angegangen wird.

Die Zukunft der Linksjugend

Wie soll unsere Struktur aussehen, damit wir neue Strategien implementieren können? Wir denken, dass über eine Reform des Models BSPR nachgedacht werden muss. So wenig, wie irgendjemand Personenkult will, so wichtig ist das Einsetzen von Menschen, die Presseaufgaben übernehmen können. Der Jugendverband muss es auch auf Bundesebene schaffen, in verschiedenen Medien eine mit anderen Jugendorganisationen vergleichbare Präsenz aufzubauen. Um das Bilden von Machtzentren in den verschieden Ebenen zu

unterbinden, sollten Ämter auf Landesebene und Bundesebene auf höchstens zwei Legislaturperioden begrenzt sein. Dabei kann die Hartquote ein gutes Mittel sein, um den Verband zu zwingen, sich mehr mit der Förderung von Frauen zu befassen. Dies sollte allerdings unter keinen Umstände dazu führen, dass Frauen genötigt werden, Posten einzunehmen, auf die sie keine Lust haben. Was unser Ziel sein muss, ist ein marxistischer Jugendverband, der seine Mitglieder weiterbildet und sich aktiv solidarisch dafür einsetzt, dass gemeinsame Ziele erreicht werden können. Dadurch werden Mitglieder gefördert, politische Arbeit umzusetzen. Viel zu oft werden gute Aktivisten bei Projekten verheizt, weil weder Gruppe noch Landesverband noch Bundesverband es schaffen, ihre Mitglieder angemessen zu unterstützen.

Das Ziel der Linksjungend sollte es sein, für eine erreichbare Zukunfstalternative zu kämpfen, die andere Menschen mitreißt und ihnen Hoffnung gibt, ohne sich in idealistische Weltverbesserrei zu verrennen. Kein Malen von Luftschlössern und eine Welt voller Pazifisten sollten wir verkörpern, sondern den erreichbaren Traum des besseren Lebens für viele Menschen, der für viele Menschen mit dem sogenannten „Ende der Geschichte“ bereits gestorben war. Doch jetzt, am Ende des „Endes der Geschichte“, wollen wir den Menschen eine Option der Hoffnung präsentieren! Wenn dieser Verband tatsächlich zu einer eigenständigen politischen Kraft werden soll, so sollten wir uns bemühen, die Wege der Geschichte zu verstehen und uns nicht nur darauf konzentrieren, die Partei vor uns herzutreiben, sondern sich tatsächlich mit Themen kritisch auseinandersetzen. Es darf nicht darum gehen, sich als Radikalster im Raum zu geben, weil man sich in dieser Rolle gefällt, sondern Radikalität muss stets das Ziel haben, alle Verhältnisse zu stürzen, in denen der Mensch ein geknechtetes und entrechtetes Wesen ist. Ja, Radikalität muss der Barbarei entschlossen entgegengehalten werden. Egal, aus welcher Ecke sie auch kommen mag!

Thesen zum Erreichen unserer Zukunft

Wider der Identifikation durch inhaltsleere Begriffe!

Wir sind sozialistisch, kommunistisch, antifaschistisch, antirassistisch, etc., haben aber dennoch keine Ahnung, was Sozialismus und Kommunismus sind, noch was diese voneinander unterscheidet. Der Faschismusbegriff ist uns nicht geläufig und wird umso mehr ausgehöhlt, wenn wir ihn für alles verwenden, was uns nicht in den Kram passt. Genauso verwenden wir den Rassismusbegriff beliebig: Muster, welche sich gegen unterschiedliche Gruppen richten, sind einmal rassistisch und ein anderes Mal nicht, es reicht oft soweit, dass diese manchmal sogar als gerecht gelten und vollkommen in Ordnung sind. Begriffe verkommen zu etwas Individuellem. Jeder darf sich aussuchen, was Begriffe bedeuten und wie er sie benutzt. Inhalte verschwimmen, werden alles und nichts. Anstatt dass wir mit zig Begriffen um uns werfen, von denen wir nicht einmal wissen, was sie genau bedeuten, sollten wir uns klar werden, was wir von uns selbst erwarten. Erst durch das Verstehen können wir unsere Forderungen auch klar nach außen tragen, ohne dass wir uns in den zehntausendsten internen Kategorienstreit begeben und wir am Ende wieder dastehen, wo sich jede*r beliebig aussuchen kann, was denn nun nach seinem Gusto die „richtige“ Definition.

Für die Wissenschaft, Für den Materialismus

Wir haben ein Problem damit, dass Begriffe ihres Inhaltes beraubt und beliebig gemacht werden. Kategorien werden aufgelöst, für nicht existent erklärt, oder haltlos miteinander vermischt. So schmückt man sich mit einem Queerbegriff der leider nicht mehr so viel meint, wie früher. Durch Vermengung von Kategorien wie Sex, Gender und Sexualität ist ein beliebiger Begriff entstanden, welcher nicht mehr die Individualität von Personen wertschätzt, sondern ihnen nur noch einen schmückenden Begriff bietet, mit dem eine Identität ersetzt werden kann. Es ist hierbei mittlerweile so viel vermengt wurden, dass man sich ab und zu fragt, ob nicht der Begriff Mensch schon wieder ausreichend wäre, oder ob der Queerbegriff sich soweit zuspitzt, dass er statt einer Gut-Böse-Dichotomie verwendet werden könnte. So werden auch Theorien oft stark vereinfacht, ihnen wird jede Komplexität genommen, ohne dabei zu beachten, dass man in stumpfe Vereinfachungen abrutscht. Zu einer Kapitalismuskritik kommt so oft der Vorwurf, das Eigentum Diebstahl sei, obwohl das Recht auf Privatbesitz eines der wichtigsten Errungenschaften in unserer Gesellschaft ist. Allen dreien, Begriff, Kategorie und Theorie, werden ihre Allgemeinheiten und Wahrheiten

abgesprochen. So sind die vermeintlichen Vorwürfe: dass es ja andere Sichtweisen (oder Glaubensvorstellungen, als was man sie eher bezeichnen sollte) gäbe, dass diese, trotz ihrer Allgemeinheit, nicht mehr aktuell seien und so heute nicht mehr angewendet werden können – nichtsdestotrotz fallen auch heute noch Steine Richtung Boden und nicht in den Himmel. In einem alles verschlingenden Eklektizismus wird alles miteinander so lange vermischt, bis dies einen inhaltsleeren, oder noch schlimmer, widersprüchlichen Brei ergibt. Aus jeder Sache wird das Liebste herausgesucht, ohne Zusammenhang und Verbindung zu sehen, geschweige

denn die Widersprüche zwischen diesen überhaupt zu bemerken, bis alles keinen Sinn mehr ergibt. Wenn wir Kommunisten sein wollen, dann gehört es unvermeidlich dazu, auch materialistisch zu sein. Zum Materialismus gehört eine Welt, in der Begriffe nicht nur einfach Äußerungen sind, sondern eine allgemeine Definition und Realität haben. Ebenso sind Kategorien nicht nur ausgedachte Konzepte, die nur in unserem Kopf existieren, sondern real in und an den Dingen existieren und die Welt um uns herum beeinflussen. Anstatt uns also in die Bedeutungslosigkeit und pure Ideologisierung eines pastiche-artigen Scheins vermengter, nicht identifizierbarer Theoriebruchstücke zu flüchten, sollten wir anstreben, ernsthaft wissenschaftlich, materialistisch zu arbeiten.

Für ein Ende der Pseudoinklusion

Es ist nicht zielführend, Menschen, die Schwierigkeiten haben, komplexe Themen zu verstehen, diesen diese aufzuzwingen. Sie sollten die Hilfen bekommen, die sie brauchen und haben möchten. Aber es ist auch nicht hilfreich, einen Diskurs auf seine simpelsten Verhältnisse herunterzubrechen, da er so die Gesellschaft nicht beschreiben kann. Dies ist weder den Menschen angemessen, die diesen Diskurs führen, noch ist es zielführend für eine politische Organisation, da so die Beschreibung von Beziehungen zwischen Begriffen nicht mehr möglich ist. Es sollte bei Integration nicht darum gehen, dass man versucht, Menschen, die eindeutig mit diesem Diskurs überfordert sind, ihnen diesen aufzuzwingen. Wir sollten den Diskurs so klar wie möglich führen, sodass alle die die Möglichkeit haben, diesen zu verstehen und auch verstehen können.

Feminismus muss mehr als ein Lippenbekenntnis sein

Linker Feminismus sollte sich nicht nur mit der Rolle der Frau allein beschäftigen, er sollte Anerkennung in beide Richtungen fördern und fordern. Wir müssen uns auch damit auseinandersetzen, dass sich patriarchale Strukturen nicht nur negativ auf Frauen auswirkt, sondern auf alle Menschen, besonders aus dem LGBT* Spektrum. Es gibt genügend Beispiele dafür, dass der so entstehende Druck alle betrifft. Aufforderungen wie „Man up!“ haben in unserer Vorstellung von Gesellschaft nichts zu suchen. Das heißt nicht nur, dass Quoten durchgesetzt werden, sondern vor allem, dass man sich mit diesen Fragen auch theoretisch auseinandersetzen muss und Menschen verstehen, warum Quoten jetzt gerade wichtig sind. Theoretiker*innen wie Beauvoir, Kollontai oder Stokowski sollten häufiger in linke Diskussionen einbezogen und deren Forderungen geteilt werden. Wir sollten Probleme sichtbar machen, Geschichten erzählen und dafür sorgen, dass sich Menschen sicher fühlen, Strukturen zu hinterfragen und aktiv für veränderte Rollenbilder einzustehen. Linker Feminismus steht für eine offene, tolerante Gesellschaft für alle. Wir sollten jedoch hier auch praktisch werden und patriarchalen Verhaltensweisen endlich auf den verschiedenen Ebenen Einhalt gebieten. So sollten wir auch eigenes martialisches Auftreten hinterfragen und kritisieren.

Auch sollte Solidarität mit Frauen außerhalb der linksjugend bei uns Standard sein, egal ob diese in anderen Organisationen, wie Terre des Femmes, sind oder unabhängig agieren.

Öffentlichkeitsarbeit und Darstellung

Es ist wohl allen klar, dass sich unsere öffentliches Auftreten verbessern muss. Dass bedeutet, Presseverteiler auf Bundes-, Landes- und Basisgruppenebene einrichten! Die jeweils höhere Ebene sollte helfend eingreifen, falls es Probleme beim Einrichten gibt. Die Aufgabenverteilung sollte im BSPR so geändert werden, dass ein Presseauftritt kohärent wird, so dass er nach außen die tatsächlichen Beschlüsse und Positionen geschlossen vertreten kann. Über die Einrichtung eines zweiköpfigen Presseteams sollte nachgedacht werden.

Kooperation mit anderen Gruppen

In Kooperation sollte unser Ziel stets klar sein, damit die eigene Position nicht verschwimmt. Dabei sollte entscheidend sein, dass solche Kooperation nicht gegen Beschlüsse des Jugendverbandes laufen.

Strategische Entscheidungen

Es sollte notwendig sein, bei politischen Aktionen, dass nicht nur die eigene, sondern auch eine strategische Aussage mitbedacht wird. So verschreckt eine falsche Militanz häufig eher Leute, als dass sie zum Diskurs anregt. Jedoch kann gerade eine Störaktion Leute aus ihrem Trott reißen: hier ist es wichtig, eine Balance zu finden.

Jugend- und Schulpolitik

Man glaubt es kaum, aber wir sind immer noch ein Jugendverband. Deswegen sollte Jugendförderung eins unserer Ziele sein. Dennoch finden sich kaum junge Menschen in Gremien, sei es auf Landes- oder Bundesebene. Es sollte ein Forum geben, welches sich das Ziel setzt, junge Menschen zu fördern und ihre politischen Interessen in den Jugendverband zu tragen. Wir sollten daran arbeiten, offline und online wieder mehr junge Menschen anzusprechen. Des Weiteren sollte auch über eine Jugendquote in Gremien nachgedacht werde, in denen dies möglich ist, wie im BSPR, LSPR’s oder den Länderräten. Auch Schulpolitik muss weiterhin ein Bestandteil unserer Thematik sein, auch wenn manche Basisgruppen nicht mehr nur aus Schüler*innen bestehen.

Diskussionskultur/Umgang untereinander

Im Verband sollte eine solidarische Diskussionskultur etabliert werden, die das Gegenüber ernst nimmt, ohne dabei zwanghaft zu versuchen, einen Kompromiss finden zu müssen. Man sollte allerdings offen genug sein, auch seine Gegenargumente vorzubringen und nicht einfach jemandem zuzustimmen oder abzulehnen, weil er aus dem richtigen oder falschen Bundesland kommt. Menschen, welche nicht so aggressiv auftreten können oder wollen wie andere, sollten in Diskursen dennoch aufmerksam angehört werden und nicht übergangen werden.

 

 

LSp*R Brandenburg

Aus jeder Krise ergibt sich ein historisches Möglichkeitsfenster. Einige Widersprüche der kapitalistischen Wirtschaftsweise werden in Frage gestellt – es gibt es jetzt eine Debatte um die Relevanz von schlecht bezahlten und dringend notwendigen Berufen. In der Corona-Krise wird deutlich, dass der Markt soziale Ungleichheiten verstärkt. Die zu erwartende Rezession und die Erkenntnis, dass jahrelang am Gemeinwohl gespart wurde, könnte eine Debatte um Entprivatisierungen, Umverteilungen und Lohngerechtigkeit für alle anstoßen. Sozialdemokrat*innen, Regierungen und Wirtschaft reagieren darauf bereits mit dem Versprechen von Bonuszahlungen für Pflegekräfte und Maßnahmen zum „Ankurbeln“ der Wirtschaft. Das Asylrecht wurde kurzerhand ausgesetzt, wie üblich ohne Aufschrei. An die Zivilgesellschaft wird appelliert, „zusammen zu halten“, was sich angesichts flächendeckender Verbote bzw. oft ohne Zusammenhang zum Infektionsschutz verhängte Erschwerung von Demonstrationen in politischer Hinsicht als unzulänglich erweist. Von einer dauerhaften Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist jedenfalls nicht die Rede. Vielmehr sind viele Menschen mit einem Freizeit-Lockdown bei gleichzeitigen Corona-Partys am Arbeitsplatz einverstanden.

Und wir?

Unsere Aufgabe als antikapitalistischer Jugendverband ist es, zu vermitteln, dass sich trotz aller Widrigkeiten alles grundlegend zum Besseren ändern kann. Doch wie sollen wir aus der Corona-Krise gestärkt hervorgehen oder gar unserer Utopie näher kommen?

Für unsere Strategie-Debatte könnte die Aufarbeitung der letzten Krise eine Diskussionsgrundlage bilden: in der „Finanzkrise“ 2008 und 2009 entstanden neben „Occupy Wallstreet“ auf dem ganzen Planeten Bewegungen, die die Misswirtschaft des Finanzkapitalismus anprangerten und für eine Umverteilung des globalen Reichtums stritten. Als linksjugend [’solid] haben wir uns auch in den Folgejahren noch am europäischen Bündnis „blockupy“ beteiligt. Doch die Bewegung schrumpfte, während der Niedriglohnsektor und Befristung sich ausbreiteten und Banken gerettet wurden. Vielleicht war es zum Beispiel ein Fehler, an Regierungen und Co. zu appellieren, auf deren Reaktion dann ohne weitere Perspektive gewartet wurde. Vielleicht hätte mensch stattdessen versuchen müssen, die Bewegung auf alle Wirtschaftsbereiche auszuweiten.

Die linke Geschichte in Deutschland zeigt, dass wir unsere Inhalte nicht vermitteln können. Die Vorstellung einer Welt jenseits des Kapitalismus fällt ja auch uns selbst schwer. Zugleich ist es unbefriedigend, sich in die Formulierung konkreter Forderungen zu verlieren oder angesichts mangelnder Perspektive in kleinen Verbesserungen zu verzetteln. Wir versuchen, uns bei jeder Kleinigkeit auf unsere Utopie zu beziehen oder doch wenigstens darauf hinzuweisen, dass die Ursache für das konkrete Problem in der kapitalistischen Wirtschaftsweise liegt. Viele neue Mitglieder konnten wir damit bisher ja auch überzeugen. Diese berichten uns von der politischen Resignation ihrer Mitschüler*innen und dem fehlenden Überblick in der politischen Landschaft. Nicht selten heißt es: „Politik ist viel zu kompliziert. Und an den ganzen Problemen ändert sich doch eh locker nichts.“ An unseren Inhalten liegt es also nicht, vielmehr ist Politik insgesamt uncool und linke Themen kommen einfach kaum vor.

Unsere Praxis!

Allerdings braucht die Linksjugend [’solid] für eine nachhaltige Vermittlung ihrer Inhalte eine nachvollziehbare, emanzipatorische Praxis, die für Jugendliche positiv erfahrbar ist. Dazu gehört vor allem eine gute Vernetzung mit anderen jungen Menschen. Leider funktionieren wir vielmehr wie 16 verschiedene Landesverbände mit verschiedenen Basisgruppen, als als ein Bundesverband. Diese Eigenständigkeit ist für unser basisdemokratisches Prinzip sehr wichtig, kann aber auch zu einem für Außenstehende unklaren Auftreten führen. Dem könnte ein lebendiger, aktiver Bundesverband entgegen wirken. Aber: Der Bundesverband besteht für viele Mitglieder aus nur wenigen jährlichen Highlights wie dem Sommercamp und dem Bundeskongress sowie teils unscheinbaren, aber mit wichtigen Aufgaben betrauten Gremien wie dem BSpR und dem Länderrat. Diese wichtigen Gremien können nicht die Arbeit eines ganzen Verbandes stemmen. Wir brauchen dringend das Bundesjugendplenum als Debattenort für Genoss*innen aus allen Landesverbänden, das wir auch nach der Pandemie in ursprünglich gedachter Form weiterführen sollten. Dabei müssen wir uns davor hüten, uns nur mit uns selbst zu beschäftigen, sondern sollten vor allem Strategien entwickeln, die das große Ganze im Blick behalten. Wichtig dabei ist, dass jede*r Genoss*in mitreden kann, ohne über ein riesiges Vorwissen zu verfügen. Denn im Moment finden die innerverbandlichen Debatten aus organisatorischen Gründen nur sehr kurz, oder sehr abfällig in der facebook-Gruppe statt. In der Regel ähneln die Diskussionen so eher Schlammschlachten zwischen verfeindeten Lagern, die nie den Anspruch haben, einander zu überzeugen. Attraktiver wäre eine linksjugend [’solid], die über starken Zusammenhalt funktioniert und ihren Pluralismus respektvoll lebt.

Was uns nämlich von den politischen Kampagnen unserer Zeit unterscheidet, ist der gesamtpolitische Ansatz und die Vielzahl möglicher Arbeitsschwerpunkte und Organisation. Wir sind eben kein monothematisches, zeitlich begrenztes Bündnis, sondern ein Ort zur dauerhaften Organisation mit dem Anspruch, die gesamtgesellschaftliche Situation grundlegend zu ändern. Unser sekundäres Ziel ist daher die Vernetzung und Bündelung der gesellschaftlich relevanten Konflikte.

Auf die Straße!

Damit das klappen kann, dürfen wir nicht den selben Fehler wie die uns nahe stehende Partei machen: Wir dürfen unseren Blick nicht auf den Parlamentarismus versteifen. Die Mitwirkung im Parlament sollte ein Mittel zur Durchsetzung der in den sozialen Bewegungen erdachten Ideen sein. Schließlich sind es gesellschaftliche Bewegungen wie FridaysForFuture, die den gesellschaftlichen und politischen Diskurs nachhaltig verändern; ohne das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ hätte es keine Aufarbeitung der Unterstützung von Nazis durch den rassistisch agierenden Staat gegeben, ohne #saytheirnames wären die Anschläge in Hanau und Co längst vergessen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir Teil dieser Bewegungen sind und sein sollten. Unseren gesamtpolitischen Ansatz sollten wir auch in Bündnissen selbstbewusst vertreten und sichtbar auftreten. Solidarisch miteinander vernetzt zu sein kann uns alle unseren gemeinsamen Zielen näher bringen.

 

 

Konstantin Gräfe

Corona, Krise, Kommunismus?

Von der pandemischen Krise zur wirtschaftlichen Krise

Zwar wird uns die durch das Virus Sars-Covid-19 verursachte pandemische Krise noch eine ganze Weile beschäftigen. Absehbar ist aber auch, dass auf die pandemische Krise die wirtschaftliche Krise folgt. Das schnelle Ende des Neoliberalismus oder gar des Kapitalismus wird Corona wohl eher nicht mit sich bringen. Plausibler ist eher eine kurz- bis mittelfristige Verfestigung des neoliberalen Produktionsregimes. So sind die derzeitigen staatsinterventionistischen Maßnahmen eben auch nicht als Abgesang auf den Neoliberalismus zu werten, wie er in den letzten Wochen in einigen Feuilleton-Artikeln beschworen wurde, sondern dienen der Stützung des Kreditsystems (vgl. Kempe/ Speckmann, Arps/ Dziedzic, Tügel). Zudem ist es gut möglich, dass sich der deutsche Block in der EU absehbar um eine Neuauflage der Austeritätspolitik bemühen wird, den südeuropäischen Ländern also jene Kürzungsorgien verordnet werden, deren Folgen durch die kollabierenden Gesundheitssysteme gerade erst noch einmal verdeutlicht wurden.

Linke und die Krise

Einige heben nun die aus einer solchen krisenhaften Situation entstehenden Chancen für einen gesellschaftlichen Wandel hervor. Dagegen sprechen m.E. einige Punkte. So neigt ein großer Teil der gesellschaftlichen Linken in Deutschland gerade zum Krisenkooperatismus; die Gewerkschaften haben erstmal weitestgehend alle Tarifrunden abgesagt und tragen die Maßnahmen der Bundesregierung im Schulterschluss mit den Wirtschaftsverbänden mit; auch die Linksfraktion im Bundestag hat den „Hilfspaketen“ der Bundesregierung am Ende zugestimmt. Weite Teile der sozialen Bewegungen und der radikalen Linken sind ihrer üblichen Protestformen durch die Ausgangsbeschränkungen beraubt und müssen erst an Wegen elaborieren, wie sie in der Krise Wirkung entfalten können. Die Linkspartei wiederum befindet sich in einem ungelösten Streit um die weitere Strategie. Nicht zu Letzt wird gerade deutlich, dass es kaum eine internationalistische Praxis der Linken gibt. Auch fehlt es trotz einiger interessanter Ansätze (Dörre/ Schickert; Fritzsche; Friedrich/ ak-Redaktion) an einer gemeinsamen, Hoffnung stiftenden Erzählung der Linken, die in der Krise ihre Wirkung entfalten könnte.

Was wir unmittelbar tun können

Auch wenn am Ende der Krise wohl nicht der ökokommunistische Ponyhof steht, sondern wir vermutlich erneut die erstaunlichen Beharrungskräfte des Kapitalismus bewundern können, gibt es einiges, was wir jetzt tun sollten. Denn klar ist, auch wenn sich in Zeiten der Krise die Menschen zunächst um die Regierenden und den Status Quo scharen, bietet gerade eine Krise Potentiale, um mit linker Kritik an den Alltagsverstand der Menschen anknüpfen zu können.

Die tödlichen Folgen von Kürzungspolitik und Ökonomisierungsdruck im Gesundheitswesen sind auch in Deutschland nicht zu übersehen (vgl. z.B. den Fall des Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikums). Auch ist offensichtlich, wer die Folgen der Krise besonders spürt (vgl. u.a. Sabloswki): Niedriglöhner*innen, Scheinselbständige, Alleinerziehende, Studierende, Schüler*innen und Auszubildene werden von den Hilfspaketen kaum erfasst. Geflüchtete und Illegalisierte bilden dabei die unterste Stufe der Krisenpyramide.

Zu all diesen Aspekten sollten wir längerfristig angelegte Online-Kampagnen ins Auge fassen, die Forderungen zur Verbesserung der Lebenspraxis junger Menschen mit grundsätzlicher Kritik an den bestehenden Verhältnissen verknüpfen. Die Kampagnen sollten konkrete Forderung mit lebensnahen Geschichten von (potenziellen) Betroffenen verbinden. Ebenfalls sollten sie für die Social Media typische Mitmachangebote an die Mitgliedschaft unterbreiten. Dringend müssen jedoch auch Formen entwickelt werden, die in ihrem Ausdruck radikaler sind, gleichzeitig aber auch die Gebote physischen Abstands beherzigen. So sollte beispielweise die Umsetzbarkeit von Miet- oder auch Schulstreiks geprüft werden.

In jüngster Zeit konnten in einem beachtlichen Kraftakt des gesamten Verbandes große Teile des politischen Bildungsangebotes in Onlineformate überführt werden. Hierauf gilt es aufzubauen und die politische (Online-) Bildung nun längerfristig auszurichten. Einerseits sollte sie dabei unterstützend zu den oben angedachten Kampagnen wirken, gleichzeitig sollte sie fundierte Kenntnisse über die verschiedenen Krisen, die wir erleben, vermitteln. Die gemeinsamen Kapital-Lesekreise mit dielinke.SDS sind hierfür ein erster vielversprechender Ansatz. Schließlich wird es für die Linke darum gehen, um die Deutungshoheit über die anstehenden Verwerfungen zu kämpfen.

Worauf wir uns vorbereiten sollten

Rund zehn Millionen Menschen, die sich allein in der Bundesrepublik in Kurzarbeit befinden, sind ein Indiz dafür, dass die Krise auch in Deutschland heftigere Folgen haben kann, als jene von 2008 ff. Wenn es aber, wie Schneider/ Syrovatka vermuten, zu einem baldigen Ende der Lockerungen der Defizitregeln der EU und eine Bindung von Beihilfen an strukturelle Reformen ähnlich der Eurokrise  kommt, dann sind es die Menschen in den südeuropäischen Staaten, die darunter am härtesten zu leiden haben werden. Hier gilt es für den Verband eine Praxis internationaler Solidarität wiederzuentdecken und teilweise auch neu zu entwickeln, die in den vergangenen Jahren verschütt gegangen ist. Auch sollten wir die nächste Zeit nutzen, um die vergangenen Krisenproteste zu reflektieren und Rückschlüsse für neue Proteste und Bündnisse ziehen.

Darüber hinaus sollten wir uns auf einen Backlash in der Klimapolitik gefasst machen. Die Diskussionen um Staathilfen für Fluglinien und Abwrackprämien zeigen, dass die Akteure des fossilen Kapitalismus die Krise als willkommenen Anlass nehmen werden, um ihre Laufzeit mit Staatsknete noch einmal deutlich zu verlängern. Hier muss Druck gemacht werden, damit mit nicht weitere Pflöcke für Pfade in die falsche Richtung eingeschlagen werden. Gleichzeitig bietet solch eine Situation sicher auch Anknüpfungspunkte, um eine ökosozialistische Transformationsagenda stark zu machen.

Nicht zu Letzt ist durch die Krisendynamik ein erneuter Aufschwung der AfD und anderer rechter Bewegungen in Europa zu befürchten. Gerade für marginalisierte Gruppen dürften ein Erstarken der Rechten in wirtschaftlich krisenhaften Zeiten und einem möglichen Fortwirken ausnahmerechtlicher Regelungen, zusätzliche Gefahren für ihre Rechte und ihr Leben bedeuten. Sie haben unsere unbedingte Solidarität verdient. Dennoch sollten wir uns nicht auf Antirassismus und Antifaschismus als letztes Bindeglied einer fragmentierten Linken verlassen. Gerade als linksjugend [’solid] sollten wir die nächsten Wochen nutzen, um eine Erzählung stark zu machen, die radikal mit dem Status Quo bricht und das Versprechen auf ein sozialistisches Morgen erneuert.

Literaturangaben

-Jan Ole Arps/ Paul Dziedzic/ Nelli Tügel: Die Situation ist nicht »offen«, sondern scheiße. In der Corona-Krise sehen manche Linke eine Chance – vielleicht aus Vergesslichkeit? In: analyse & kritik, Nr. 659.

-Klaus Dörre/ Christine Schickert (Hrsg.): Neosozialismus. Solidarität, Demokratie und Ökologie vs. Kapitalismus.

-Sebastian Friedrich/ Redaktion analyse & kritik (Hrsg.): Neue Klassenpolitik: Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus.

-Julia Fritzsche: Tiefrot und radikal bunt. Für eine neue linke Erzählung.

Lene Kempe/ Guido Speckmann: Wenn ein Virus die Wirtschaft infiziert. Die Corona-Pandemie legt die Sollbruchstellen des neoliberalen Kapitalismus offen – erste Tendenzen der Reparaturmaßnahmen zeichnen sich ab. In: analyse & kritik, Nr. 659.

-Thomas Sablowski: Der Klassencharakter der deutschen Politik in der Coronakrise. Abrufbar unter: https://www.zeitschrift-luxemburg.de/der-klassencharakter-der-deutschen-politik-in-der-coronakrise/

-Etienne Schneider/ Felix Syrovatka: This Eurozone Crisis Will Be Even Worse Than Last Time. Abrufbar unter: https://www.jacobinmag.com/2020/04/eurozone-crisis-coronavirus-covid-eu-european-commission

 

Jan Schiffer

Ich freue mich, dass wir diese Strategiedebatte führen, nicht nur, weil ich mir sicher bin, dass durch diese Debatte viele gute und innovative Ideen zur Weiterentwicklung unserer politischen Praxis diskutiert werden, sondern auch, weil genau das etwas ist, was viel zu wenig geschieht: Über Strategie reden.

Wenn es etwas gibt, an was es in unserem Jugendverband nicht mangelt, dann sind es das kontroverse Diskussionen, was großartig ist, denn durch kontroverse Diskussionen ist es im Optimalfall (der oft aus Gründen nicht eintritt, die man in einem eigenen Text erörtern müsste) möglich, reflektierte Positionen zu finden, die einen Gegenstand von verschiedenen Seiten beleuchten und damit tatsächlich oft korrekter sind als die Positionen, mit denen man in die Debatte geht.  Oft haben diese Diskussionen aber die Schwäche, dass zwar über viele sehr wichtige Themen gesprochen wird, aber meiner Meinung nach zu wenig über Strategie, also darüber, wie wir überhaupt bestimmte viel diskutierte Ziele erreichen wollen.

Dabei könnte genau das die große Stärke der linksjugend [’solid] sein. Lokal begrenzt handelnde Akteure sind nicht in der Lage, bundesweite Diskurse nennenswert zu beeinflussen, genau das ist aber nötig: Viele der großen politischen Fragen sind nur auf Bundesebene wirklich angreifbar, und auch die Diskussionen in unseren Städten und Orten sind keine abgekapselten, durch lokal beschränkte Arbeit komplett drehbaren Dinge, sondern geprägt durch gesamtgesellschaftliche Stimmungen. Um also große Veränderungen erreichen zu können, brauchen wir eine handlungsfähige bundesweite Akteurin mit strategischer Analyse, die erkennt, welche Themen man aufgreifen kann, um gesellschaftliche Debatten zu beeinflussen und hier Menschen nach links zu politisieren. Eine solche Akteurin könnte die linksjugend [’solid] sein, dafür ist aber noch einige Arbeit erforderlich.

In Beiträgen von Genoss*innen, mit denen ich mich ausgetaucht habe, und auch in dem Beitrag meiner Basisgruppe aus Köln, wurden schon viele Ideen entwickelt, wie man die bundesweite Handlungsfähigkeit bspw.  durch einen besseren Kontakt zur Basis und eine professionalisierte Öffentlichkeitsarbeit erhöhen kann. In diesem Beitrag will ich mich deshalb stärker darauf konzentrieren, was es überhaupt heißt, strategisch zu denken.

Strategisches Denken heißt, immer vom Ziel aus zu denken: Bevor man irgendetwas macht, muss man immer wissen, wofür man es macht, und die Weise, wie man es macht, muss sich aus diesem Ziel ergeben.

Das heißt: Bevor man eine Aktion macht oder einen Text in den sozialen Medien raushaut, muss man erst einmal wissen, was man überhaupt erreichen will. Es darf nicht darum gehen, einfach die Aktionen zu machen, auf die man Lust und bei denen man sich besonders radikal fühlt; Texte müssen dafür geschrieben werden, um Menschen zu überzeugen, nicht dafür, sich selbst besonders schlau zu fühlen.

Ich persönlich denke, dass der strategische Hauptfokus derzeit darauf liegen muss, unsere Wirkmacht zu vergrößern: Nur, wenn wir eine starke Organisation sind, können wir einen ernsthaften Beitrag zu den Veränderungen unserer Gesellschaft leisten, die wir als sozialistischer Jugendverband anstreben.

Dafür ist es notwendig, hier einen klaren Fokus auf die Aufbauarbeit zu legen. Dem würden wohl nicht viele widersprechen, das heißt aber gleichzeitig auch, dass unsere Kampagnen eine Orientierung auf dies haben müssen und wir dort sichtbar sein müssen. Es gibt viele tolle Aktionen, Bündnisse und Kampagnen, in die wir viel Energie stecken, bei denen wir aber kaum sichtbar sind, woran wir definitiv arbeiten müssen. Das hängt natürlich auch stark mit einer professionelleren Öffentlichkeitsarbeit zusammen.

Die größte und wichtigste Aufgabe bei der Aufbauarbeit ist es natürlich, neue Mitglieder zu gewinnen und zu empowern, damit sie in der Lage sind, selbstständig und mündig politische Projekte durchzuführen. Um dies zu erreichen, müssen wir darüber reden, was für Menschen wir ansprechen wollen und können.

Dabei ist es denke ich zentral, als Erstes zu begreifen, dass unser Ziel sein muss, Menschen zu politisieren, die noch nicht politisiert sind: Unsere Arbeit darf sich nicht auf die linke Szene konzentrieren. Das Ende von Kapitalismus und Patriarchat wird wohl kaum von den relativ wenigen Menschen erreicht werden können, die es derzeit anstreben, deshalb ist klar, dass wir mehr werden müssen.

Ein Blick auf die Verbandsrealität zeigt auch: Wir erreichen neue Mitglieder meist nicht über linksradikale Szenebündnisse mit autonomen Kleinstgruppen, sondern über Arbeit in breiten Bewegungen und dadurch, dass wir ein parteinaher Jugendverband sind. Die größte Aufmerksamkeit und Relevanz gewinnen wir durch unsere Anbindung an die LINKE, und dessen sollten wir uns bewusst sein und dementsprechend auch versuchen, diese Anbindung zu stärken und mit mehr Leben zu füllen.

Um neue Menschen zu erreichen, müssen wir vor allem lernen, unsere Strukturen auf sie auszurichten: Wir brauchen offene Strukturen, die gleichzeitig handlungsfähig und einsteiger*innenfreundlich sind. Konkret heißt das: Viele Menschen haben keine Lust, sich beim Einstieg in eine Jugendorganisation erst einmal tausend super komplizierte, unintuitive und unästhetische verschlüsselte Kommunikationskanäle anzueignen, und, so sehr ich persönlich die Kommunikation mit Mails schätze, so sehr muss man feststellen: Mails sind absolut kein Teil der Lebensrealität wirklich junger Menschen mehr. Um das aber positiv hervorzuheben: Zumindest bei Social Media haben es viele Strukturen bereits geschafft, den Schwerpunkt auf Instagram zu legen, anstatt alles über Facebook zu organisieren, was immer weniger Schüler*innen nutzen.

Nachdem man die Mitglieder angeworben und auch in die eigenen Basisstrukturen eingebunden hat, ist die nächste Aufgabe, sie handlungsfähig zu machen. Hier wäre es z.B. sinnvoll, den im Raum stehenden Vorschlag eines Mentoringprogramms aufzugreifen. Bei zentralen Bildungsangeboten haben wir schon viele tolle Angebote, mehr Angebote zu Dingen wie Rhetorik und Argumentation wären eine wichtige Ergänzung, da hier viele Basismitglieder ein riesiges Potential haben, aber mehr Unterstützung bei der Entfaltung gebrauchen könnten.

Ganz wichtig ist aber auch: Man lernt durch nichts so viel für die politische Praxis wie durch politische Praxis. Hier braucht es mehr Angebote, sich auf Bundesebene wirklich niedrigschwellig zu engagieren und dort auch von erfahreneren Genoss*innen zu lernen.

Es gibt viele Jugendliche, die die Zumutungen von Kapitalismus, Patriarchat, Rassismus und Antisemitismus sehr genau kennen und viel Potential haben, einen Beitrag dazu zu leisten, diese Verhältnisse zu überwinden. Gehen wir also heraus und finden sie!

Zum Beginn der zweiten Sammelphase der Berliner Initiative »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!«: Bundesweite Unterstützungskampagne startet

Pressemitteilung vom 22.02.2021

Am Freitag, 26. Februar beginnt in Berlin die zweite Sammelphase des Volksbegehrens »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!«, das Immobilienkonzerne mit Beständen über 3.000 Wohneinheiten in Berlin vergesellschaften und in Gemeingut überführen möchte. Zeitgleich startet eine bundesweite Unterstützungskampagne für »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!«, die von Mieter*inneninitiativen und stadtpolitisch Aktiven aus ganz Deutschland getragen wird.

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Linksjugend [’solid] fordert Altmaier-Rücktritt

Pressemitteilung vom 16.12.2020

Die Linksjugend [’solid] reagiert empört darauf, dass Wirtschaftsminister Peter Altmaier der Öffentlichkeit laut Berichten des SPIEGEL länger als ein Jahr lang ein Gutachten vorenthalten hat, welches die begonnene Umsiedlung der Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich und Berverath für den Tagebau Garzweiler hätte abwenden können.

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Wir suchen Verstärkung

Wir suchen Verstärkung in unserem Team in der Bundesgeschäftsstelle in Berlin. Wir wollen dieses Jahr folgende Stellen (neu) besetzen:

Du hast Fragen zum Stellenprofil, zum Verfahren etc.? Dann wende dich gerne an info@linksjugend-solid.de.

Solidaritätserklärung mit den streikenden Beschäftigten im ÖPNV

Wenn wir die Klimakatastrophe noch stoppen wollen, müssen wir den Autoverkehr deutlich reduzieren. Nur mit einem guten öffentlichen Nahverkehr können die CO2-Emissionen im Verkehr deutlich verringert und damit dafür gesorgt werden, dass der Verkehrsbereich endlich seinen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaziele beiträgt. Gute Bus- und Bahnanbindung mit kurzen Wartezeiten, verlässlichen Anschlüssen, dichterer Taktung, neuen Haltestellen und Linien sind Voraussetzung für das Gelingen der Mobilitätswende.

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Pressemitteilung von Die Linke.SDS und linksjugend [ˈsolid] zur Situation der Studierenden

Die Corona-Krise hat vielen Studierenden ihren Job gekostet und sie an den Rand der Existenz gedrängt. Doch während Konzerne mit zahlreichen milliardenschweren Konjunkturmaßnahmen gestützt werden, tauchen Studierende im Konjunkturprogramm gar nicht erst auf. Eine der wenigen Hilfen in der Corona-Zeit sind zinslose Darlehen. Auch die nun von Bildungsministerin Karliczek angekündigten Zuschüsse in Höhe von 500€ sind eine Farce. Als Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (Die Linke.SDS) und linksjugend [ˈsolid] fordern wir deshalb:

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Pressemitteilung der linksjugend [‘solid] zur Situation in den griechischen Flüchtlingslagern

In den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln leben mehr als 42.000 Menschen. Die Verhältnisse in diesen Lagern sind bereits ohne Coronakrise menschenunwürdig: Es gibt kaum Medikamente, unzureichend sauberes Trinkwasser und Lebensmittel; Heizung, Strom und Decken fehlen. Die sanitären Zustände sind katastrophal und tragen dazu bei, dass sich in den Lagern, in denen Menschen zu Tausenden auf engstem Raum leben, Krankheiten wie ein Lauffeuer ausbreiten.

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