Konstantin Gräfe

Corona, Krise, Kommunismus?

Von der pandemischen Krise zur wirtschaftlichen Krise

Zwar wird uns die durch das Virus Sars-Covid-19 verursachte pandemische Krise noch eine ganze Weile beschäftigen. Absehbar ist aber auch, dass auf die pandemische Krise die wirtschaftliche Krise folgt. Das schnelle Ende des Neoliberalismus oder gar des Kapitalismus wird Corona wohl eher nicht mit sich bringen. Plausibler ist eher eine kurz- bis mittelfristige Verfestigung des neoliberalen Produktionsregimes. So sind die derzeitigen staatsinterventionistischen Maßnahmen eben auch nicht als Abgesang auf den Neoliberalismus zu werten, wie er in den letzten Wochen in einigen Feuilleton-Artikeln beschworen wurde, sondern dienen der Stützung des Kreditsystems (vgl. Kempe/ Speckmann, Arps/ Dziedzic, Tügel). Zudem ist es gut möglich, dass sich der deutsche Block in der EU absehbar um eine Neuauflage der Austeritätspolitik bemühen wird, den südeuropäischen Ländern also jene Kürzungsorgien verordnet werden, deren Folgen durch die kollabierenden Gesundheitssysteme gerade erst noch einmal verdeutlicht wurden.

Linke und die Krise

Einige heben nun die aus einer solchen krisenhaften Situation entstehenden Chancen für einen gesellschaftlichen Wandel hervor. Dagegen sprechen m.E. einige Punkte. So neigt ein großer Teil der gesellschaftlichen Linken in Deutschland gerade zum Krisenkooperatismus; die Gewerkschaften haben erstmal weitestgehend alle Tarifrunden abgesagt und tragen die Maßnahmen der Bundesregierung im Schulterschluss mit den Wirtschaftsverbänden mit; auch die Linksfraktion im Bundestag hat den „Hilfspaketen“ der Bundesregierung am Ende zugestimmt. Weite Teile der sozialen Bewegungen und der radikalen Linken sind ihrer üblichen Protestformen durch die Ausgangsbeschränkungen beraubt und müssen erst an Wegen elaborieren, wie sie in der Krise Wirkung entfalten können. Die Linkspartei wiederum befindet sich in einem ungelösten Streit um die weitere Strategie. Nicht zu Letzt wird gerade deutlich, dass es kaum eine internationalistische Praxis der Linken gibt. Auch fehlt es trotz einiger interessanter Ansätze (Dörre/ Schickert; Fritzsche; Friedrich/ ak-Redaktion) an einer gemeinsamen, Hoffnung stiftenden Erzählung der Linken, die in der Krise ihre Wirkung entfalten könnte.

Was wir unmittelbar tun können

Auch wenn am Ende der Krise wohl nicht der ökokommunistische Ponyhof steht, sondern wir vermutlich erneut die erstaunlichen Beharrungskräfte des Kapitalismus bewundern können, gibt es einiges, was wir jetzt tun sollten. Denn klar ist, auch wenn sich in Zeiten der Krise die Menschen zunächst um die Regierenden und den Status Quo scharen, bietet gerade eine Krise Potentiale, um mit linker Kritik an den Alltagsverstand der Menschen anknüpfen zu können.

Die tödlichen Folgen von Kürzungspolitik und Ökonomisierungsdruck im Gesundheitswesen sind auch in Deutschland nicht zu übersehen (vgl. z.B. den Fall des Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikums). Auch ist offensichtlich, wer die Folgen der Krise besonders spürt (vgl. u.a. Sabloswki): Niedriglöhner*innen, Scheinselbständige, Alleinerziehende, Studierende, Schüler*innen und Auszubildene werden von den Hilfspaketen kaum erfasst. Geflüchtete und Illegalisierte bilden dabei die unterste Stufe der Krisenpyramide.

Zu all diesen Aspekten sollten wir längerfristig angelegte Online-Kampagnen ins Auge fassen, die Forderungen zur Verbesserung der Lebenspraxis junger Menschen mit grundsätzlicher Kritik an den bestehenden Verhältnissen verknüpfen. Die Kampagnen sollten konkrete Forderung mit lebensnahen Geschichten von (potenziellen) Betroffenen verbinden. Ebenfalls sollten sie für die Social Media typische Mitmachangebote an die Mitgliedschaft unterbreiten. Dringend müssen jedoch auch Formen entwickelt werden, die in ihrem Ausdruck radikaler sind, gleichzeitig aber auch die Gebote physischen Abstands beherzigen. So sollte beispielweise die Umsetzbarkeit von Miet- oder auch Schulstreiks geprüft werden.

In jüngster Zeit konnten in einem beachtlichen Kraftakt des gesamten Verbandes große Teile des politischen Bildungsangebotes in Onlineformate überführt werden. Hierauf gilt es aufzubauen und die politische (Online-) Bildung nun längerfristig auszurichten. Einerseits sollte sie dabei unterstützend zu den oben angedachten Kampagnen wirken, gleichzeitig sollte sie fundierte Kenntnisse über die verschiedenen Krisen, die wir erleben, vermitteln. Die gemeinsamen Kapital-Lesekreise mit dielinke.SDS sind hierfür ein erster vielversprechender Ansatz. Schließlich wird es für die Linke darum gehen, um die Deutungshoheit über die anstehenden Verwerfungen zu kämpfen.

Worauf wir uns vorbereiten sollten

Rund zehn Millionen Menschen, die sich allein in der Bundesrepublik in Kurzarbeit befinden, sind ein Indiz dafür, dass die Krise auch in Deutschland heftigere Folgen haben kann, als jene von 2008 ff. Wenn es aber, wie Schneider/ Syrovatka vermuten, zu einem baldigen Ende der Lockerungen der Defizitregeln der EU und eine Bindung von Beihilfen an strukturelle Reformen ähnlich der Eurokrise  kommt, dann sind es die Menschen in den südeuropäischen Staaten, die darunter am härtesten zu leiden haben werden. Hier gilt es für den Verband eine Praxis internationaler Solidarität wiederzuentdecken und teilweise auch neu zu entwickeln, die in den vergangenen Jahren verschütt gegangen ist. Auch sollten wir die nächste Zeit nutzen, um die vergangenen Krisenproteste zu reflektieren und Rückschlüsse für neue Proteste und Bündnisse ziehen.

Darüber hinaus sollten wir uns auf einen Backlash in der Klimapolitik gefasst machen. Die Diskussionen um Staathilfen für Fluglinien und Abwrackprämien zeigen, dass die Akteure des fossilen Kapitalismus die Krise als willkommenen Anlass nehmen werden, um ihre Laufzeit mit Staatsknete noch einmal deutlich zu verlängern. Hier muss Druck gemacht werden, damit mit nicht weitere Pflöcke für Pfade in die falsche Richtung eingeschlagen werden. Gleichzeitig bietet solch eine Situation sicher auch Anknüpfungspunkte, um eine ökosozialistische Transformationsagenda stark zu machen.

Nicht zu Letzt ist durch die Krisendynamik ein erneuter Aufschwung der AfD und anderer rechter Bewegungen in Europa zu befürchten. Gerade für marginalisierte Gruppen dürften ein Erstarken der Rechten in wirtschaftlich krisenhaften Zeiten und einem möglichen Fortwirken ausnahmerechtlicher Regelungen, zusätzliche Gefahren für ihre Rechte und ihr Leben bedeuten. Sie haben unsere unbedingte Solidarität verdient. Dennoch sollten wir uns nicht auf Antirassismus und Antifaschismus als letztes Bindeglied einer fragmentierten Linken verlassen. Gerade als linksjugend [’solid] sollten wir die nächsten Wochen nutzen, um eine Erzählung stark zu machen, die radikal mit dem Status Quo bricht und das Versprechen auf ein sozialistisches Morgen erneuert.

Literaturangaben

-Jan Ole Arps/ Paul Dziedzic/ Nelli Tügel: Die Situation ist nicht »offen«, sondern scheiße. In der Corona-Krise sehen manche Linke eine Chance – vielleicht aus Vergesslichkeit? In: analyse & kritik, Nr. 659.

-Klaus Dörre/ Christine Schickert (Hrsg.): Neosozialismus. Solidarität, Demokratie und Ökologie vs. Kapitalismus.

-Sebastian Friedrich/ Redaktion analyse & kritik (Hrsg.): Neue Klassenpolitik: Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus.

-Julia Fritzsche: Tiefrot und radikal bunt. Für eine neue linke Erzählung.

Lene Kempe/ Guido Speckmann: Wenn ein Virus die Wirtschaft infiziert. Die Corona-Pandemie legt die Sollbruchstellen des neoliberalen Kapitalismus offen – erste Tendenzen der Reparaturmaßnahmen zeichnen sich ab. In: analyse & kritik, Nr. 659.

-Thomas Sablowski: Der Klassencharakter der deutschen Politik in der Coronakrise. Abrufbar unter: https://www.zeitschrift-luxemburg.de/der-klassencharakter-der-deutschen-politik-in-der-coronakrise/

-Etienne Schneider/ Felix Syrovatka: This Eurozone Crisis Will Be Even Worse Than Last Time. Abrufbar unter: https://www.jacobinmag.com/2020/04/eurozone-crisis-coronavirus-covid-eu-european-commission

 

Kommentare sind geschlossen.