Pressemitteilung: Einladung zur Veranstaltungsreihe Jugend in Europa – Generation Krise

Berlin, 02.05. 2014 Die Linksjugend[‘solid] lädt zur Veranstaltungsreihe „Jugend in Europa- Generation Krise!“ ein. Die Veranstaltungen finden im Rahmen einer mehrtägigen Tour in Bremen, Bielefeld, Berlin und Leipzig als Podiumsdiskussion gemeinsam mit Aktivist*innen aus Finnland und Griechenland, sowie mit Malte Fiedler, dem Jugendkandidat der LINKEN für die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Im Fokus der Tour steht die Auswirkung der Wirtschaftskrise auf die junge Generation Europas. Weiterlesen →

Wer ist eigentlich dieser Malte

Wer ist eigentlich dieser Malte

 

Lieber Malte, du trittst auf Platz 10 der Europaliste der LINKEN an.

Was stört dich an der Krisenpolitik von Merkel und Co?

Die brutale Spar- und Kürzungspolitik, die Millionen Menschen in Armut stürzt. In Europa ist mittlerweile jeder vierte junge Mensch arbeitslos. In Griechenland gibt es z.B. nur noch eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen. Das Geld reicht nicht mehr für Miete, Heizung und Strom.

Außerdem macht mich die falsche Schuldzuweisung wütend. Merkels Verarmungspolitik wird nämlich in neoliberale Rhetorik verpackt, nach dem Motto „wir alle haben über unsere Verhältnisse gelebt und müssen jetzt den Gürtel enger schnallen“. Das verschleiert die Krisenursache und die Tatsache, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht. Die Reichen werden reicher, die Armen bleiben arm. Das was auf der einen Seite die hohen Staats- und Privatschulden sind – sind auf der anderen Seite mehr und mehr angehäuftes Privatvermögen, mit dem auf Finanzmärkten gezockt wird.

Als Krönung tun die Konservativen in Deutschland dann auch noch so, als würden wir hier mit unserem Geld die Menschen in den sogenannten Krisenländern retten. Die Rettungspakete gehen aber eins zu eins an Banken und andere Finanzinstitute oftmals mit dem Sitz in Deutschland. Etwas populistisch zugespitzt: Eigentlich hätten Merkel und Schäuble der Deutschen Bank auch gleich einen Check ausstellen können.

Glaubst du, dass die deutsche Politik für die Krise mit verantwortlich ist oder sind es die „faulen Griechen“, wie Angela Merkel sagt?

Die Arbeitsproduktivität der Menschen in Griechenland ist sicherlich nicht der Auslöser für die tiefste Wirtschaftskrise in Europa seit dem 2. Weltkrieg. Kein Ökonom würde das behaupten. Die Wirtschaftskrise, wie wir sie jetzt seit 6 Jahren erleben hat ihre Dynamik erst mit der Finanzkrise entfaltet. Um das System am Laufen zu halten haben viele Staaten Milliarden in das marode Finanzsystem gepumpt und dadurch ihre Staatsschulden nach oben getrieben.

Hinzu kommen die Ungleichgewichte im Außenhandel in der Eurozone. Im freien europäischen Binnenmarkt stehen die Staaten in kapitalistischer Konkurrenz zueinander. Wenn hier Deutschland als Exportweltmeister gefeiert wird bedeutet das, dass Deutschland in der Summe mehr Waren und Dienstleistungen in andere Länder exportiert als importiert. Andere Länder müssen dann zwangsläufig Schulden anhäufen, weil sie mehr kaufen als verkaufen. In Deutschland wurde dieser Wettbewerb mit niedrigen Löhnen und einen Abbau von Arbeitsschutzstandards geführt. Somit hat auch die deutsche Politik zur Krise beigetragen. Für eine ausführliche Krisenanalyse haben wir aber glaube ich in diesem Interview keinen Platz.

Aber ist es nicht so, dass Deutschland gut durch die Krise gekommen ist, die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist niedrig und den Menschen geht es gut?

Wenn wir die Situation in Deutschland mit Griechenland, Spanien und Portugal vergleichen ist das sicherlich so. Aber auch hier gibt es immer mehr Menschen, die keine Arbeit haben oder keinen geeigneten Ausbildungsplatz finden. Und auch für diejenigen die Arbeit haben, bedeutet das immer öfter unbezahlte Praktika, eine selbstbezahlte Ausbildung, befristete Beschäftigungsverhältnisse und niedrige Löhne.

Dabei macht ein gutes Leben doch mehr aus als nur für den täglichen Lebensunterhalt arbeiten zu gehen und sich ausbeuten zu lassen. Ein freies und selbstbestimmtes Leben ist aber nicht möglich, wenn wir gezwungen sind uns den ständigen Wettbewerbszwang und der Profitlogik des Wirtschaftsystems unterzuordnen.

Malte, Hand aufs Herz, findest du die EU undemokratisch?

Seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise übernahmen autoritäre Regime wie die Troika oder sogenannte Expertenregierungen die Rolle von demokratisch gewählten Regierungen in Südeuropa und Irland. Proteste gegen die brutale Sparpolitik werden oft mit heftiger Polizeigewalt niedergeschlagen. Das widerspricht jeglichen demokratischen Grundsätzen.

Aber auch das Institutionsgefüge der EU ist undemokratischer geworden. Von dem allseits bekannten Demokratiedefizit einmal abgesehen, dass das Europäische Parlament kein Gesetzes-Initiativrecht hat, wie es z.B. der Bundestag hat, ist in Zuge der Krisenpolitik die europäische Kommission in vielen Fragen, wie der Wirtschaftspolitik mächtiger geworden, während das Parlament nur Mitspracherechte hat.

Wie demokratisch es ansonsten in der EU zugeht, zeigt sich z.B. an den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP). Bisher liefen alle Verhandlungen hinter geschlossenen Türen ab. Während die einflussreiche Wirtschaftslobby mit am Verhandlungstisch saß, blieb die Zivilgesellschaft außen vor. Das Europäische Parlament ist an den Verhandlungen nicht beteiligt und wird am Ende nur mit Ja oder Nein stimmen können.

Sag uns doch bitte drei gute Sachen und drei schlechte Sachen die dir zur EU einfallen?

Man soll ja bei Kritik immer mit dem positiven beginnen: Die Reisefreiheit für EU Bürger und europaweite Austauschprogramme für Kultur, Bildung, Arbeit und Party in einer anderen Europäischen Stadt sind insbesondere für junge Menschen eine schöne Sache. Die Tatsache, dass Menschen aus unterschiedlichen Ländern mit verschiedenen politischen Hintergründen, unterschiedlicher Kultur und Sprache gemeinsam im Rahmen der EU politisch zusammen arbeiten ist, wenn man die blutige europäische Geschichte vor Augen hat, alles andere als selbstverständlich.

Trotz des letzten Punkts fällt es mir aber schwer die EU als Friedensprojekt zu bezeichnen. Die aggressive und tödliche Flüchtlingspolitik, die zunehmende Militarisierung der internationalen Beziehungen sowie eine imperialistische Handelspolitik, die nur der Wahrung der eigenen politischen und strategischen Interessen dient, ist alles andere als ein friedliche Politik, die auf Kooperation, Menschenrechte und fairen Handel ausgerichtet ist. Das waren schon drei Sachen, oder?

Ja. Aber was möchtest du im Europaparlament an all diesen Missständen ändern?

Ich möchte vor allem die Art und Weise ändern, wie an den Menschen vorbei Politik gemacht wird. Ich möchte deshalb den Aufbau einer linken Jugendvernetzung auf europäischer Ebene unterstützen um zivilgesellschaftlichen Widerstand zu organisieren gegen den Demokratieabbau, die autoritäre Krisenpolitik und dagegen, dass alle Arbeits- und Lebensbereiche unter eine neoliberale Wettbewerbslogik untergeordnet werden sollen. Ich möchte auch die Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen, sowie fortschrittlichen Gewerkschaften und NGOs stärken.

Ich glaube, dass wir für ein anderes Europa gemeinsam kämpfen müssen. Für echte Demokratie und eine konsequente soziale, ökologische und friedliche Ausrichtung. Ein Europa, in dem es echte Gleichberechtigung gibt und Niemand aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder Sexualität diskriminiert wird. Das kann nur in einen gemeinsamen Prozess mit vielen verschiedenen Bündnispartner*innen gelingen. Da sind die lokalen Kämpfe vor Ort genauso wichtig, wie die auf nationaler und europäischer Ebene. Ein Einzelner kann die Läufe der Welt nicht verändern. Das müssen wir gemeinsam tun.

Was ist das erste was du tust, wenn du gewählt wirst?

Mir einen Site-cut rasieren… das ist ein Wetteinsatz.

Vielen Dank für das Interview und wir wünschen dir viel Erfolg.

 

Mein Bauch gehört nicht mir sondern so einem konservativen Arschloch

Mein Bauch gehört nicht mir sondern so einem konservativen Arschloch

 

oder wie das Europäische Parlament die Stärkung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit verhindert hat

 

Großes Tohuwabohu war am 22. Oktober 2013 bei der Sitzung des Europäischen Parlamentes (EP) in Straßburg angesagt. Grund dafür war der erstmals im Plenum vorgestellte Initiativbericht der portugiesischen Abgeordneten Edith Estrela (S&D). Er trug den Namen „Sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte“ (sexual and reproductive health and rights = SRHR).

 

Berichte im EP – wie war das gleich nochmal?

 

Abgeordnete können in Ausschüssen sogenannte Initiativberichte entwerfen, welche dann dem Parlament vorgestellt werden. Finden die Abgeordnete den Bericht gut und stimmen zu, wird er der Kommission vorgelegt. Diese muss darauf reagieren. Wie ist nicht festgelegt. Es kann ein Vorschlag für eine Richtlinie oder eine Verordnung kommen, muss aber nicht.

Der formalen Form entsprechend, kommen erst Verweise auf Berichte, Resolutionen und andere wichtige Texte zu diesem Thema. Darauf folgen Erwägungen und Erkenntnisse, die deutlich machen sollen, warum so ein Bericht wichtig ist. Zum Schluss kommt das wichtigste: die Forderungen an die Europäische Union.

 

SRHR? WTF?

 

Der Bericht bezieht sich gleich am Anfang auf die Schlusserklärung und das Aktionsprogramm der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung (ICPD) 1994 in Kairo. Innerhalb dieser wird sexuelle und reproduktive Gesundheit als ein Zustand des physischen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in Zusammenhang mit der individuell ausgelebten Sexualität verstanden. Jede Person hat das Recht selbst zu entscheiden wann, wie oft und in welcher Form sie Sex hat.

Alle Menschen sollen, egal welchen Alters, einen freien Zugang zu Informationen über Sexualität, aber auch zu sicheren Maßnahmen der Familienplanung und medizinischer Versorgung vor, während und nach einer Schwangerschaft haben. Dieses Aktionsprogramm, welches von 180 Staaten unterzeichnet wurde, hält fest, dass SRHR ein Menschenrecht ist und in nationalem wie auch internationalem Recht festgeschrieben ist.1

 

Die den Bericht einleitenden Verweise und Erwägungen lassen das feministischeHerz höher schlagen. Die SRHR gelten für alle Menschen, egal welcher Herkunft, sozialen Stellung oder sexueller Orientierung. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die parlamentarische Verpflichtungserklärung zur Durchführung des ICDP-Aktionsprogramms2 und viele andere Hinweise unterstreichen die Grundlage und die Verankerung dieses Themas innerhalb der EU.

Gleichstellung der Geschlechter ist durchaus eine präsente Forderung innerhalb der EU. Dennoch betont die Berichterstatterin, dass die faktische Ungleichbehandlung in Verbindung mit weit verbreiteten und immer wieder reproduzierten stereotypen Ansichten über Geschlechter eine große Hürde für die Umsetzung der SRHR darstellen.

 

Das Herzstück – die kontroversen Forderungen

 

Die Forderungen der Berichterstatterin sind bis ins Detail durchdacht. Die SRHR stellen ein grundlegendes und unumstößliches Element der Menschenwürde dar. Zum Schutz der Menschenwürde sei es notwendig, dass reproduktive Wahlmöglichkeiten in einem diskriminierungsfreien Raum zur Verfügung stehen. Ziel sei, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch durchzusetzen. Das Mindestmaß an Menschenwürde, fordert der Bericht ein, seien legale Schwangerschaftsabbrüche nach einer Vergewaltigung oder wenn sie eine Gefahr für das Leben der Frau darstellen.

Gefordert wird ebenfalls, unter anderem, eine umfassende und altersgerechte Sexualerziehung in Schulen, eine EU-weite Datenerfassung über sexuelle und reproduktive Gesundheitsindikatoren und einen Ausbau der Prävention und Behandlung von sexuell übertragbaren Krankheiten.

 

Stichhaltige Argumente gegen den Bericht gab es keine, deshalb wurde der Pappkamerad der nicht beachteten Subsidiarität aufgestellt. Die EU solle sich nicht in die Gestaltung nationaler Gesundheitspolitik einmischen. Das entkräftende Argument liefert der Bericht selbst. Obwohl nicht im Befugnisbereich der EU, hätte solch ein Beschluss bewirkt, dass die EU offiziell unterstützend zur Seite stehen könnte.

 

Die europäische Bürger*inneninitiative „One of Us“ hat im Vorfeld mächtig Stunk gemacht. Bis zum 1. November 2013 sammelte sie insgesamt und europaweit 1.897.588 Unterschriften, für das Ziel, dass die EU keine Gelder zur embryonalen Stammzellenforschung und Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stellt. Den Begriff der SRHR sehen sie als schöne Umschreibung für Mord an „ungeborenem Leben“3. Die Basis dieser Initiative ist ganz klar, die der Konservativen. Bekannte Botschafter*innen wie Papst Franziskus, aber auch CDU Mandatsträger*innen werben für sie. Verschiedene Websites boten ganz nebenbei noch an, vorgefertigte Texte an Europaabgeordnete zu verschicken – um für die Ablehnung des Berichtes zu plädieren. Die Büros bekamen mehrere Tausend Stück – und das täglich. Gespickt wurde die vorgefertigte Textversion mit wüsten moralischen Drohungen und Worten wie, „Können Sie das vor Gott verteidigen?“; „Wie können Sie Mord nur zustimmen?“; „Sie wird eine gerechte Strafe treffen!“

 

Der öffentliche Druck durch die Petition, Demonstrationen und die teils einseitige Berichterstattung über diesen Bericht hatten einen großen Einfluss darauf, dass der Bericht bei der ersten Lesung im Parlament im Oktober in den Ausschuss zurückverwiesen wurde. Dort wurde er noch einmal bearbeitet und mit kleinen Änderungen dem Plenum im Dezember erneut vorgelegt und ist mit einer sehr knappen Mehrheit von nur 5 Stimmen wieder abgelehnt worden.

 

Die Europäische Union ist nicht per se gegen die SRHR. Schon in der Vergangenheit gab es mehrere Beschlüsse zur Förderung dieser, nur eben ohne eine Forderung nach Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Schöne Scheiße! Damit wurde der Gleichstellung wieder einmal riesige Brocken in den Weg gelegt. Aber auch der Forderung nach einer unvoreingenommenen, wissenschaftlichen und altersentsprechenden Sexualerziehung wurde durch die Ablehnung des Berichts eine Abfuhr erteilt.

 

Um Gleichstellung nicht nur auf dem Papier zu bejahen muss sie auch endlich voll und ganz umgesetzt werden. Und dazu gehört eben auch die Entscheidung über den eigenen Körper. Und die individuelle Familienplanung.

 

Nachzulesen gibt es den ganzen Estrela-Bericht hier:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A7-2013-0426+0+DOC+XML+V0//DE oder unter dem Aktenzeichen A7-0426/2013

 

Zur Autorin:

Marie Wendland ist in der Linksjugend Sachsen organisiert und regt sich leidenschaftlich gerne über feministische Themen auf. Und sie dankt den fleißigen Bienchen die diesen Artikel ermöglicht haben.

 

1Vgl. http://www.unfpa.org/public/home/sitemap/icpd/International-Conference-on-Population-and-Development/ICPD-Programme;

Vgl. http://www.weltbevoelkerung.de/informieren/unsere-themen/sexuelle-und-reproduktive-gesundheit/mehr-zum-thema/reproduktive-gesundheit.html

2Siehe: http://www.unfpa.org/public/cache/offonce/home/sitemap/icpd/International-Conference-on-Population-and-Development/ICPD-Programme;jsessionid=3CDADEC63721FF4A9AF48F992BD0FF34.jahia01

3Vgl. http://www.1-von-uns.de/typo3/index.php?id=23

Bologna oder wie lerne ich mich tot

Oma: Was willst du denn mal im Studium erreichen?

Studentin: 180 Credit Points und einen Masterplatz.

Dieses Gespräch aus dem heutigen Studienalltag hätte vor 15 Jahren in der BRD kein Mensch verstanden. Ganz einfach aufgrund der Tatsache, dass Begriffe wie Credit Points, Module und Modulfristen (ebenso wie Bachelor und Master) erst durch den am 19. Juni 1999 von allen EU-BildungsministerInnen institutionell beschlossenen Bologna-Prozess mit „Leben“ gefüllt wurden. In der beschlossenen Erklärung heißt es zu den Zielen dieses Prozesses neben vielerlei blumigen Worten ziemlich deutlich: Insbesondere müssen wir uns mit dem Ziel der Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems befassen.“ Damit ist diese Erklärung im Kontext einer gesamtgesellschaftlichen neoliberalen Entwicklung innerhalb der EU zu sehen, welche die Ziele und Funktionsweisen von Bildung und Wissenschaft stark verändert hat. Während die europäischen BildungsministerInnen noch im Jahre 1988 (ebenfalls in Bologna) in der Magna Charta der Universitäten wenigstens festhielten, dass die Hochschulen „gegenüber allen politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Mächten unabhängig sein“ sollen, ging es elf Jahre später dem entgegen darum, „die arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen der europäischen Bürger ebenso wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems zu fördern.

Was ist zwischen beiden Erklärungen passiert? Vor dem Hintergrund des Durchsetzens des neoliberalen Kapitalismus gegen den realexistierenden Sozialismus 1989/1991 wurde „Bildung“ als Abschnitt 1995 in das weltweite Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) der Welthandelsorganisation aufgenommen. Sie sollte sich fortan – in Form der Hochschulen als konkurrierende Dienstleistungsunternehmen – auf dem Markt bewähren. Wissenschaft und Bildung wurden als Standortfaktor dafür gesehen, die EU „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“, wie es im Jahr 2000 in der Lissabon-Strategie des Europäischen Rates hieß. Vorangetrieben wurde dies maßgeblich von Akteuren wie dem European Round Table of Industrialists (einer Lobbyorganisation europäischer Großkonzerne) und in der BRD von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft oder dem Centrum für Hochschulentwicklung der Bertelsmann-Stiftung.

Unter dem Schlagwort employability (Beschäftigungsfähigkeit) wurde mit Bologna von Oben versucht, das gesamte Studiensystem auf die Befriedigung von unmittelbaren Marktinteressen auszurichten. Studieninhalte wurden an ökonomischer Verwertbarkeit orientiert und die bevormundende Verregelung führte verstärkt dazu, dass Studierende, genauso wie Lehrende, vor allem zur Erfüllung von Anforderungen und zu Konformität erzogen werden.

Durch die Modularisierung des Studieninhalts und -verlaufs sollte ein Wissenskanon festgelegt werden, den Studierende zu pauken haben, statt eine selbständige, kooperative Suche nach Wahrheit zu ermöglichen. Die viel beschworene Vergleichbarkeit der Inhalte, Kurse und Abschlüsse innerhalb der EU führte durch die profilierungssüchtige Installierung etlicher Spezialstudiengänge real dazu, dass aufgrund der Regelungswut selbst der Wechsel von Bonn nach Köln unmöglich wurde, wie der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, 2009 in einem Interview erklärte. Die Dotierung aller Kurse mit Credit Points verstärkte die Entfremdung der Studis von den Inhalten ihres Studiums. Statt wirklich etwas lernen und damit die Welt verbessern zu wollen (Gebrauchswert) sollte es den Studis nur noch um die Sammlung von möglichst gut benoteten Credit Points (Tauschwert) gehen. Auf die Rolle und das Selbstverständnis der Studierenden hatte dies erhebliche Auswirkungen. Statt als gestaltende Mitglieder einer demokratischen Einrichtung sollten sie sich als zahlende KundInnen begreifen. Statt Erkenntnissuchende als sich für den Arbeitsmarkt selbst optimierendes Humankapital.

Die neoliberale Ideologie der undurchschaubaren und kollektiv-rational nicht steuerbaren Gesellschaft sollte also inhaltlich und organisatorisch auf das Studium übertragen werden. Frei nach dem Motto: Wenn alle nur an sich denken, ist an alle gedacht. Geregelt wird’s von der unsichtbaren Hand des Marktes.

Diese Ideologie ist aber spätestens im Zuge der großen Krise des finanzgetriebenen Kapitalismus 2008 durch zahlreiche soziale Kämpfe nachhaltig in Frage gestellt und diese Kritik in den Alltagsverstand integriert worden. Gesamtgesellschaftlich drückt sich das in anhaltenden Protesten (wie zuletzt in Spanien) und einem Erstarken der Linken (wie zuletzt in Griechenland) aus. Im Bildungsbereich steht für diese praktische Kritik am Neoliberalismus die deutschlandweite Abschaffung der Studiengebühren (Niedersachsen wird sie als letztes Bundesland zum nächsten Wintersemester abschaffen) und die breite Bewegung von Bildungsstreik und Audimaxbesetzungen. Als Linke müssen wir den Kampf an den und um die Hochschulen als Kampf um die gesellschaftliche Hegemonie gegen die angeschlagene neoliberale Ideologie begreifen. Das Problem besteht aktuell noch im Gefühl der eigenen Ohnmacht und der alltagspraktischen Zustimmung zu den kapitalistischen Verhältnissen. An den – seit 1968 – tendenziell gesellschaftskritischen Universitäten sollte dieser passive Konsens zum status-quo auch durch die Einführung des Bologna-Systems (besser) organisiert werden. Das positive Gegenbild zu dieser herrschaftskonformen Erziehung ist Emanzipatorische Bildung durch kritisch-wissenschaftliche Tätigkeit. „Mit ihr begreift sich der Mensch als sein eigener Urheber, versteht er, daß die Ketten, die das Fleisch aufschneiden, von Menschen angelegt sind, daß es eine Aussicht gibt, sie zu zerreißen.“ (H. J. Heydorn, Über den Widerspruch von Bildung und Herrschaft, 1979)

Oma: Was willst du denn mal im Studium erreichen?

Studentin: Emanzipation.

Zum Beginn der zweiten Sammelphase der Berliner Initiative »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!«: Bundesweite Unterstützungskampagne startet

Pressemitteilung vom 22.02.2021

Am Freitag, 26. Februar beginnt in Berlin die zweite Sammelphase des Volksbegehrens »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!«, das Immobilienkonzerne mit Beständen über 3.000 Wohneinheiten in Berlin vergesellschaften und in Gemeingut überführen möchte. Zeitgleich startet eine bundesweite Unterstützungskampagne für »Deutsche Wohnen & Co. enteignen!«, die von Mieter*inneninitiativen und stadtpolitisch Aktiven aus ganz Deutschland getragen wird.

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Linksjugend [’solid] fordert Altmaier-Rücktritt

Pressemitteilung vom 16.12.2020

Die Linksjugend [’solid] reagiert empört darauf, dass Wirtschaftsminister Peter Altmaier der Öffentlichkeit laut Berichten des SPIEGEL länger als ein Jahr lang ein Gutachten vorenthalten hat, welches die begonnene Umsiedlung der Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich und Berverath für den Tagebau Garzweiler hätte abwenden können.

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Wir suchen Verstärkung

Wir suchen Verstärkung in unserem Team in der Bundesgeschäftsstelle in Berlin. Wir wollen dieses Jahr folgende Stellen (neu) besetzen:

Du hast Fragen zum Stellenprofil, zum Verfahren etc.? Dann wende dich gerne an info@linksjugend-solid.de.

Solidaritätserklärung mit den streikenden Beschäftigten im ÖPNV

Wenn wir die Klimakatastrophe noch stoppen wollen, müssen wir den Autoverkehr deutlich reduzieren. Nur mit einem guten öffentlichen Nahverkehr können die CO2-Emissionen im Verkehr deutlich verringert und damit dafür gesorgt werden, dass der Verkehrsbereich endlich seinen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaziele beiträgt. Gute Bus- und Bahnanbindung mit kurzen Wartezeiten, verlässlichen Anschlüssen, dichterer Taktung, neuen Haltestellen und Linien sind Voraussetzung für das Gelingen der Mobilitätswende.

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Pressemitteilung von Die Linke.SDS und linksjugend [ˈsolid] zur Situation der Studierenden

Die Corona-Krise hat vielen Studierenden ihren Job gekostet und sie an den Rand der Existenz gedrängt. Doch während Konzerne mit zahlreichen milliardenschweren Konjunkturmaßnahmen gestützt werden, tauchen Studierende im Konjunkturprogramm gar nicht erst auf. Eine der wenigen Hilfen in der Corona-Zeit sind zinslose Darlehen. Auch die nun von Bildungsministerin Karliczek angekündigten Zuschüsse in Höhe von 500€ sind eine Farce. Als Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (Die Linke.SDS) und linksjugend [ˈsolid] fordern wir deshalb:

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Pressemitteilung der linksjugend [‘solid] zur Situation in den griechischen Flüchtlingslagern

In den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln leben mehr als 42.000 Menschen. Die Verhältnisse in diesen Lagern sind bereits ohne Coronakrise menschenunwürdig: Es gibt kaum Medikamente, unzureichend sauberes Trinkwasser und Lebensmittel; Heizung, Strom und Decken fehlen. Die sanitären Zustände sind katastrophal und tragen dazu bei, dass sich in den Lagern, in denen Menschen zu Tausenden auf engstem Raum leben, Krankheiten wie ein Lauffeuer ausbreiten.

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