Diese Krise muss ein Weckruf sein – für einen klassenkämpferischen Jugendverband!
Die Corona-Pandemie hat weltweit die größte soziale Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ausgelöst. Hunderttausende Menschenleben sind bedroht und Zehntausende bereits verloren, weil nationale Gesundheitssysteme kaputt gespart wurden und der Kapitalismus versagt, Gesundheit und soziale Existenz der Mehrheit der Bevölkerung zu sichern. Diese Krise kann und wird nicht allein mit einem Impfstoff überwunden, denn die Krankheit heißt Kapitalismus. Schon im letzten Jahr mehrten sich die Zeichen, dass eine Rezession in der Weltwirtschaft und auch in Deutschland eingesetzt hat. Die Folgen des Corona-Ausbruchs verschärfen diese nun massiv und es ist nicht auszuschließen, dass wir vor der tiefsten Krise des Kapitalismus in seiner Geschichte stehen.
Alles wird anders
Obwohl die Herrschenden in Rekordtempo neoliberale Grundsätze, wie die Schuldenbremse, über Bord geworfen haben, um das System aufrechtzuerhalten, werden die Profite der Kapitalisten nicht angetastet. Die Kosten dieser Krise sollen auf dem Rücken der Arbeiter*innenklasse ausgetragen werden. Massive Angriffe auf Lebensstandards und demokratische Rechte liegen vor uns. Die Bedeutung sozialer und Klassenfragen wird zunehmen. Gleichzeitig gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die Kämpfe gegen die Klimazerstörung, Rassismus oder Sexismus aufhören. Auch wenn der Terroranschlag von Hanau vom Virus wieder in den Hintergrund gedrängt wurde, sollten wir nicht vergessen, wie viel Angst aber auch Wut sich angesichts des Erstarkens der Rechten angesammelt haben.
Im Verlauf dieser Krise wird sich das Bewusstsein breiter Schichten der Bevölkerung, insbesondere unter Jugendlichen, radikal verändern. Das wird früher oder später zu größeren gesellschaftlichen Kämpfen führen. Im Verlauf dieser Krise wird ein großer Teil das kapitalistische System in Frage stellen. Damit wird auch die Offenheit für sozialistische Ideen wachsen – wie die Zahl jener, die sich organisieren wollen, um für die eigenen Interessen kämpfen zu können.
Bundesverband stagniert
Man wünschte bei diesen Aussichten, man könnte sich darauf verlassen, dass der größte linke Jugendverband in Deutschland die damit einhergehenden Chancen schon nutzen wird. Leider haben die letzten Jahre kaum Anlass für solche Hoffnungen gegeben. Im Gegenteil ist es nötig eine deutliche Warnung auszusprechen: Wenn der Verband sich nicht von Grund auf verändert, ist es schwer vorstellbar, dass er in den kommenden Klassenkämpfen und Bewegungen eine Rolle spielen und zu einem Anziehungspunkt für Jugendliche wird. Keine Frage: Viele Genoss*innen, Basisgruppen und Landesverbände wie NRW und RLP sind aktiv dabei, einen klassenkämpferischen, linken Jugendverband aufzubauen. Aber der Bundesverband ist meilenweit davon entfernt, ein Angebot für sich radikalisierende Jugendliche zu sein.
Beispiel Klimabewegung: Während sich im letzten Jahr hunderttausende Jugendliche darin radikalisiert haben, veröffentlichte der BSp*R einen einzigen Flyer zum Thema. Der Bundesverband hat es versäumt ein sozialistisches Programm aufzustellen, noch wurde er groß wahrgenommen. Unser BuKo-Antrag von April 2019 auf einen solchen Flyer wurde erst in diesem Frühjahr umgesetzt. Die linksjugend [’solid] stagniert, weil sie in solchen Bewegungen nicht deutlich macht, warum es überhaupt einen sozialistischen Jugendverband braucht. Das setzt sich heute leider fort: Seit Ausbruch der Corona-Krise gibt es kein Notfallprogramm mit konkreten Forderungen oder Flyer und Wandzeitungen für die Basisgruppen, um außerhalb der linken Online-Szene Menschen zu erreichen.
Das grundlegende Problem im Verband ist politisch. Im Bundesverband und den meisten Landesverbänden dominieren reformistische Strategien, die abstrakt die „befreite Gesellschaft“ zum Ziel ausgeben, aber in der alltäglichen Praxis trotz der ein oder anderen richtigen politischen Forderung keinen Weg über den Rahmen des Kapitalismus hinaus weisen. Das führt konsequenterweise zu Kooperationen mit pro-kapitalistischen Parteien wie SPD und Grünen und ihren Jugendverbänden. Aber wie für die LINKE gilt auch für den Jugendverband, dass diese Orientierung eine sozialistische Kraft überflüssig macht. Das verhindert auch den Verbandsaufbau, wenn man politisch unterschiedslos zu anderen Organisationen ist und die Selbstbespaßung der eigenen Szene dazu führt, dass Jugendliche aus der breiten Bevölkerung abgeschreckt werden. In Krisenzeiten gilt das doppelt und dreifach.
Was nötig ist
Die linksjugend [’solid] muss sich von Grund auf ändern, wenn sie in den nächsten Jahren eine Rolle im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft spielen will. Zuallererst braucht der Verband ein Krisenprogramm, welches die Interessen der Arbeiter*innenklasse und Jugend verteidigt. Das beinhaltet u.a. den Kampf gegen Entlassungen und Kurzarbeit, gegen Lohnverlust und die Ausweitung der Arbeitszeit, für Gesundheitsschutz an Schulen, Unis und am Arbeitsplatz, für massive Investitionen ins Gesundheitssystem, sowie die Rekommunalisierung privatisierter Krankenhäuser und Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Herrschenden geben das Bild aus, wir säßen alle in einem Boot. Wir müssen jetzt dagegenhalten und erklären, dass nicht die Arbeiter*innenklasse sondern die Kapitalist*innen die Kosten dieser Krise bezahlen sollen. Die Schlussfolgerung dieses Programms muss sein, die Macht der Kapitalist*innen zu brechen und Großkonzerne und Banken in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung zu überführen. Auf Grundlage der Einführung einer demokratisch geplanten Wirtschaft kann die Gesellschaft diese Krise überwinden und neue Krisen vermeiden.
Dieses Programm muss auf die Straße, in Schulen und Universitäten und in Betriebe getragen werden. Es könnte massenhaft durch Flyer, Plakate etc. verbreitet werden; auf Veranstaltungen – in Lockdown-Zeiten online – diskutiert werden. Eine Möglichkeit wäre auch die zeitnahe Einberufung eines bundesweiten Jugendkrisengipfels – zur Not online, sobald wie möglich physisch – gemeinsam mit z.B. den Gewerkschaftsjugenden, um über Widerstand und Forderungen zu beraten. Die Krise wird dazu führen, dass auch junge Beschäftigte in den Gewerkschaften nach Mitteln suchen, um sich zu Wehr zu setzen. Mit diesen Jugendlichen müssen wir Bündnisse schließen.
Diese Krise muss ein Weckruf für den Verband sein. Schluss mit Karrierismus, Ausschlussversuchen gegen Verbandslinke oder szenelinker Selbstbespaßung. Es braucht dringend einen klassenkämpferischen Jugendverband, der – wie wir in unserer Gründungserklärung geschrieben haben – „den Namen sozialistisch, links und demokratisch verdient hat.“ Um Mehrheitsverhältnisse dafür zu erreichen, ist es wichtig, dass sich die kritischen und kämpferischen Kräfte organisieren. Der BAK RL soll dafür ein Forum sein. Wir laden alle ein, sich uns anzuschließen.