Die aktuelle Lage ist für immer mehr Menschen von Unsicherheit und Existenzängsten geprägt. Viele sind enttäuscht von der etablierten Politik und suchen nach Alternativen. Davon können teilweise auch rechte Kräfte profitieren, indem sie gegen das alte politische Establishment wettern und verdecken, dass sie auch Politik gegen die lohnabhängige Bevölkerung machen. Sie schüren Rassismus, um davon abzulenken, dass die aktuelle Krise eine Krise des Kapitalismus ist. Als sozialistischer Jugendverband müssen wir das benennen und enttäuschte, anpolitisierte Arbeiter*innen für uns gewinnen und organisieren. Dazu müssen wir in aktuelle Kämpfe intervenieren, diese unterstützen und, wo notwendig, kritisieren.
Eine dieser Debatten ist der Kampf für bezahlbaren Wohnraum. Wir, als Basisgruppe Mainz, haben daher in den letzten Wochen eine Kampagne mit dem Thema „Wohnen für Menschen statt für Profite! Für die Enteignung der großen Wohnungskonzerne, niedrige Mieten und ein öffentliches Wohnungsbauprogramm“ organisiert. Der Höhepunkt dieser sollte eine Kundgebung in Mainz zum bundesweiten „Housing Action Day“ am 28. März
sein, welcher aufgrund der Corona-Pandemie verschoben wurde. Für die Mietenkampagne haben wir einen Flyer erstellt und 10.000 davon in verschiedenen Stadtteilen verteilt.[1] Außerdem gab es Infostände, welche auch dafür genutzt wurden, um mit neuen Menschen ins Gespräch zu kommen. Unsere Kampagne erhielt viel Zustimmung. Darüberhinaus haben wir Schilder und Buttons gebastelt, um einerseits mehr Genoss*innen in die Arbeit mit einzubeziehen und unsere Forderungen auf verschiedene Weise zu verbreiten.
Nachdem die Demo abgesagt wurde, haben wir uns entschieden eine Online Aktionen durchzuführen. Zum einen haben wir Fotos von Mitgliedern aus mehreren Basisgruppen sowie uns nahestehenden Personen und einem Schild mit einer Erklärung, warum sie am 28. März auf die Straße gegangen wären, auf unseren Social-Media-Kanälen hochgeladen. Manche haben auch einen längeren Text zu ihrem Beitrag geschrieben. Die Redebeiträge, welche sonst auf der Kundgebung gehalten worden wären, haben wir aufgenommen und hochgeladen.
Durch die Corona-Pandemie wurden wir in unseren Möglichkeiten Außenarbeit zu leisten massiv eingeschränkt. Wir waren aber dennoch der Meinung, dass sich die Umstände durch die Pandemie an vielen Stellen verschärft hat. Nur etwa eine Woche nach der Kontaktsperre kündigte die städtische Wohnbau Mieterhöhungen an. Diese konnte jedoch erstmals verhindert werden, dank Druck von der Linksfraktion im Stadtrat. Weitere Mieterhöhungen anderer Immobilienkonzerne folgten dennoch. Hierzu haben wir eine Stellungnahme verfasst und veröffentlicht. Diese Stellungnahme wollen wir als Flyer auch an die Betroffenen verteilen.
Gleichzeitig sahen wir wie große Konzerne, wie H&M und Adidas, die Miete für ihre Läden verweigern, Obdachlose und Geflüchtete in überfüllten Unterkünften dem Virus schutzlos ausgeliefert sind und die Gewalt an Frauen durch die Kontaktsperre zunimmt.
Diese krasse Situation zeigt umso deutlicher die Mängel des Kapitalismus und fordert von uns eine klare Antwort. Online Aktionen, wie wir sie durchführten, sollten auch vom Bundesverband und in allen Basisgruppen organisiert werden, dürfen dabei aber nicht allein stehen bleiben. Auch während des Kontaktverbotes ist es möglich Flyer zu verteilen oder Plakate aufzuhängen, die Antworten auf die Wohnungsfrage und die Krise geben. Wir brauchen deutlich größere Kampagnen des gesamten Jugendverbandes mit Materialien wie Flyern, Stickern, Buttons, etc. welche sozialistische Antworten auf hohe Mieten und Wohnungsnot geben.
Auch der Beschluss „Wohnen darf kein Luxus sein!“ des letzten Bundeskongresses hat sich mit diesem Thema befasst. Grundsätzlich begrüßen wir die Richtung des Antrages, obwohl die Forderungen unserer Meinung nach viel zu lasch und unkonkret sind. Wenn wir einen „öffentlich-gemeinwohlorientierten Wohnungsbestand unter demokratischer Kontrolle“ fordern, müssen wir auch genau sagen, was wir unter demokratischer Kontrolle verstehen. Als Basisgruppe haben wir deswegen die Forderung nach der „Überführung von Wohnraum und Bauland in Gemeineigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die lohnabhängige Bevölkerung“ aufgestellt. In Reden und Gesprächen haben wir erklärt, dass dies durch Räte bestehend aus gewählten Vertreter*innen der Mieter*innen, der Gewerkschaften und des Staates funktionieren kann. Aber auch die Forderung nach Mieter*innenbeiräten als Art Betriebsrat für Mieter*innen finden wir falsch. Die Interessen der Mieter*innen und der Immobilienbesitzer*innen können nicht gleichzeitig umgesetzt werden und wir sollten klarstellen, dass wir konsequent für die Interessen der Mieter*innen einstehen. Eine Art Sozialpartnerschaft zwischen Vermieter*innen und Mieter*innen sollten wir nicht unterstützen, da sie zu einem Machtinstrument der Vermieter*innen werden können, wie jetzt schon Betriebsräte die Interessen der Bosse etwa bei Kündigungen durchsetzen mit der scheinbaren Legitimation der Belegschaft. Es muss klargestellt werden, dass mit Profitlogik und Privateigentum gebrochen werden muss und wir eine sozialistische Demokratie brauchen, um die Mietenfrage zu lösen. Die Forderung nach der Enteignung der großen Immobilienkonzerne und die .berführung in die öffentliche Hand unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung muss deshalb viel prominenter nach vorne gestellt werden.
Zuletzt denken wir, dass es wichtig ist, bundesweite Kampagnen durchzuführen, wie wir es in Mainz getan haben, um als linksjugend [’solid] unsere Positionen offensiv in die Bevölkerung zu tragen, statt Bewegungen nur hinterherzurennen. Hierzu wäre es auch wichtig im größeren Umfang auf die Gewerkschaften und die organisierten Kolleg*innen zuzugehen. Wir wissen, dass diese Arbeit mühsam und oft frustrierend ist. Langfristig kommen wir allerdings nicht drumherum, denn der DGB stellt heutzutage mit seinen fast 6 Millionen Mitgliedern eine der größten Arbeiter*innenorganisationen dar und hat damit eine enorme politische Macht.