LSp*R NRW I

Bewegung, Betrieb, Gewerkschaft, Parlament – Von der Priorisierung unserer Arbeitsfelder

Wenn wir uns fragen, wie die gesellschaftliche Linke im Zuge der Krise des Neoliberalismus und dem Erstarken der globalen Rechten in die Offensive kommen kann, müssen wir uns fragen, wieso die Linke in der Gesellschaft nach wie vor so isoliert ist. Ein wichtiger Punkt bei der Analyse des Erstarkens der Rechten ist folgendes: Die Bevölkerung Ungarns, Deutschlands, Frankreichs oder Polens ist nicht von heute auf morgen zu einem Großteil faschistisch worden. Wenn man an diese Frage materialistisch herangeht, und nicht idealistisch, wie auch viele Linke das tun, erkennt man schnell die Widersprüche dieser vereinfachten Denkweise. Ein nach dem Selbstbild sozialistischer Jugendverband hat sich selbst die Aufgabe auferlegt, mit den Werkzeugen von Marx, Engels und ihren Erb*innen die gegebenen Umstände zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen. So kann man das Erstarken der Rechten von Staat zu Staat an vielen Faktoren begründen, meist ist die ökonomische Ungerechtigkeit aber die Grundlage. In den letzten Jahren konnten wir in vielen Ländern eine politische Polarisierung in der Bevölkerung beobachten. So kann man nicht von einem allgemeinen Rechtsruck sprechen, da auch linke Ideen immer wieder ihren Weg in den öffentlichen Diskurs fanden und z.B. zu großen antirassistischen Bewegungen führten. Auch Rassismus ist ein dialektisches Gebilde, dass seine Begründung (und auch seine Widersprüche) in den Lebensumständen der Gesellschaft findet. Wer den Rassismus bekämpfen will, muss jede Ungerechtigkeit im Kapitalismus bekämpfen, und zwar durch gemeinsame Kämpfe von Menschen mit gemeinsamen sozialen Interessen. Diese Kämpfe zu vereinen und voranzutreiben sollte die Hauptaufgabe der Gewerkschaften sein.

Die Linksjugend [´solid] muss die Arbeiter*innenklasse erreichen

– Als Jugendverband vorrangig die jugendlichen Arbeiter*innen und Azubis. Gemeinsam mit ihnen möchten wir Verbesserungen ihrer Lebensstandards erreichen und mit ihnen für die Überwindung des Kapitalismus kämpfen, denn sie sind der historische, gegenwärtige und zukünftige Hebel für Veränderung – Im Betrieb, auf der Straße, weltweit. Das Parlament ist für Sozialist*innen nicht mehr als eine Bühne für den Klassenkampf

– Für die Kämpfe also, die auf der Straße und in den Unternehmen ausgefochten werden. Dort muss unsere Priorität liegen. Identitätspolitische Kampagnen und solche, die sich gegen das Bewusstsein der Bevölkerung richten (Wie das organisierte Abreißen von Deutschlandflaggen an Autos während einer WM z.B.), sind selten nützlich und häufig schädlich, nicht nur für den Verband, sondern auch für die gesamtgesellschaftliche Linke.

Gewerkschaften zu Kampforganen

Die größten Kampforganisationen der Arbeiter*innenklasse sind die Gewerkschaften. In vielen Großbetrieben herrscht eine sehr hohe Organisationsquote, die grade in der Industrie häufig an der 100% kratzt. Die Arbeiter*innen und Azubis sind also in vielen Bereichen bereits organisiert

– Im allgemeinen haben wir in den letzten Jahrzehnten allerdings einen starken Rückgang des gewerkschaftlichen Organisationsgrades gesehen, was vorrangig mit der Anbiederungen der Führungen an das Kapital und den damit verbundenen Taktiken der Sozialpartnerschaft und des Co- Managements zu erklären ist. Die Führungen der Gewerkschaften sind aktuell fast einheitlich in den Händen einiger hochbezahlter Gewerkschaftssekretäri*innen, Sozialdemokrat*innen und Wirtschaftler*innen. So sieht auch ihre Arbeit aus: Über ein paar Prozent mehr Lohn, die meist nicht einmal die Inflation ausgleichen, gehen Tarifauseinandersetzungen meist nicht hinaus. Oftmals werden diese Verbesserungen dann später, in Zeiten wirtschaftlicher Krise, wieder rückgängig gemacht. Die Gewerkschaftsbürokratie geht oft Hand in Hand mit der Wirtschaft und den Vertreter*innen des Kapitals – und sorgen so für gegenseitigen Vorteil von ein paar Reichen. Das ist eines der größten

Probleme der heutigen Arbeiter*innenbewegung!

Zum Charakter der Gewerkschaften und ihrem Potenzial für die Arbeiter*innenklasse sagte Leo Trotzki, seines Zeichens russischer Revolutionär und Mitorganisator der Oktoberrevolution, 1940 in einem Artikel für die Zeitschrift „Fourth International“ mit dem Titel „Die Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs“ folgendes:

„Sie (Die Gewerkschaften, Anm. d. Verf.) können nicht mehr anarchistisch sein, das heißt, den entscheidenden Einfluss des Staates auf das Leben von Völkern und Klassen ignorieren. Sie können nicht mehr reformistisch sein, da die objektiven Bedingungen keinen Raum mehr für ernsthafte und dauernde Reformen lassen. Die Gewerkschaften unserer Zeit können entweder als Hilfsinstrumente des imperialistischen Kapitalismus dienen, um die Arbeiter unterzuordnen, sie zu disziplinieren und die Revolution zu verhindern, oder sie können im Gegenteil die Instrumente der revolutionären Bewegung des Proletariats werden.“

Zusammen gegen den Kapitalismus und seine Vetreter*innen

Sozialist*innen und mit ihr die Arbeiter*inenklasse stehen vor der schwierigen Aufgabe, mit ihren Mitteln diese starren Strukturen aufzubrechen und die Gewerkschaften von Helfern des Kapitals zu Kampforganisationen des Proletariats zu machen. Dazu ist es notwendig, kämpferische Oppositionen in den Gewerkschaften aufzubauen und die Arbeiter*innen zu erreichen, die von den immer wieder enttäuschenden Ergebnissen und ausbleibenden Streiks genug haben. Es genügt für die eigene Gewerkschaftsarbeit nicht, ab und zu politische Gemeinsamkeiten mit den Gewerkschaftsjugenden zu finden, die Vernetzung muss darüber hinaus gehen und sich genau dieser Aufgabe annehmen – Den Aufbau linker Oppositionen in den Gewerkschaften und den Betrieben. Also auch das Gewinnen junger Gewerkschafter*innen für ein sozialistisches Programm. Denn nur so wird es uns möglich sein, nicht nur quantitativ zu wachsen, sondern auch an künftige Arbeitskämpfe mitzuwirken, streikbereite Bereiche zu vernetzen und eine kämpferische, solidarische Gesellschaft zu gestalten.

Einzelne Basisgruppen haben sowohl die Möglichkeit, sich mit bundesweiten Streiks und Arbeiter*innenprotesten zu solidarisieren, als auch direkte Solidaritäts- und Kampagnenarbeit in ihren Orten zu machen, wo es Sinn macht. In vielen Orten, wo Genoss*innen von uns aktiv sind, gibt es große und kleine Betriebe, in denen es regelmäßig zu Arbeitskämpfen kommt. In den nächsten Monaten werden wir, bedingt durch die Krise, eine regelrechte Welle von Betriebsschließungen, Kürzungen und Entlassungen sehen, die Kämpfe auslösen werden – In der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und ihren Jugendverbänden vor Ort kann die Linksjugend sich solidarisch zeigen und ein sozialistisches Programm aufwerfen.

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