Welchen Grund haben wir eigentlich zu warten?


Wenn wir nicht Wunsch und Wirklichkeit verwechseln, gibt es kaum Anlass für Optimismus. Blockupy hat gestern sehr erfolgreich in dieser Stadt einige der zahllosen Grenzen markiert, die unser Zusammenleben prägen. Die europäischen Außengrenzen mögen das prominenteste Beispiel sein, aber auch die Grenzen zwischen oben und unten fallen bei näherem Hinsehen ins Auge. Sie scheinen dort auf, wo sich die einen, für jede noch so kleine Ausgabe mit dem Amt herumschlagen und die anderen via Erbrecht Milliardenkonzerne fast steuerfrei erben.

Sie manifestieren sich in der landläufigen Vorstellung, jede könnte es von der Tellerwäscherin zur Millionärin schaffen, hätte sie nur eine gute Idee oder würde malochen bis zum Umfallen. Aber nicht nur Adel, sondern vor allem Armut verpflichtet. Wer in den Grenzen aus Amt, Arbeit und Existenznot im Dreieck springt, macht darüber hinaus keine großen Sprünge. Und selbst in diesem Zustand, muss man sich immer noch privilegiert fühlen, denn es gibt ja auch noch so viele, denen es noch viel schlechter geht. Die Demut, die von den Armen verlangt wird, ist angesichts des Reichtums in diesem Land zynisch.

An dieser Stelle könnten jetzt noch endlose weitere Analysen folgen, wie wir sie heute an vielen Stellen hören und in guten Texten nachlesen können, aber wir möchten an dieser Stelle zum Weiterdenken anregen.

Wir sind Menschen, die ihre Träume nicht in Schlafphasen verschieben. Wir haben glücklicherweise trotzig die Ohren verschlossen, als uns erklärt wurde unsere Wünsche würden sich sicher nicht erfüllen, wenn wir sie aussprechen. Wir sprechen es aus: Wir wollen eine grundsätzlich andere Gesellschaft. Wir scheuen uns nicht diese Gesellschaft Kommunismus zu nennen. Und das auch in dem Bewusstsein, dass hier immer ein doppeltes „Trotzalledem“ mitschwingt: Wir wollen den Kommunismus, trotz der ständig betonten Alternativlosigkeit, trotz eines vermeintlichen „Endes der Geschichte“ und wir wollen den Kommunismus trotz der Erfahrung des Realsozialismus, die hinter die behauptete Alternativlosigkeit des Status Quo noch einmal ein Ausrufezeichen zu setzen scheint. Nun bringt uns aber der Trotz gegenüber der Geschichte allein noch nicht dem Kommunismus näher. Wir müssen theoretisch und praktisch wieder in die Offensive kommen, also für den Kommunismus wieder ein Begehren hervorrufen. Ein abstraktes Ideal von Freiheit reicht dafür nicht aus. Zum einen ist der Begriff der Freiheit durch die bürgerliche Gesellschaft geprägt, zum anderen bleibt zu Recht unklar, wie diese aussehen soll. Vor allem deshalb, weil Menschen die schlechten Eigenschaften der Menschen im Hier und Jetzt in jede denkbare zukünftige Gesellschaft projizieren. Deshalb erscheint vielen die Apokalypse realistischer als der Kommunismus. Auch eine Kritik am Kapitalismus und seiner Widersprüche kann nicht versprechen, dass es besser wird, wenn es anders wird.

Wir glauben, dass es dafür an mancher Stelle eines Umdenken bedarf, wie Herrschaftsverhältnisse anzugehen sind. Für eine Emanzipation aus den Verhältnissen wird kein individueller Akt ausreichen und auch eine Reflexion zwischenmenschlicher Beziehungen ist noch keine emanzipatorische Praxis. Die Kämpfe gegen Rassismus und Patriarchat nehmen bereits ein anderes Miteinander zum Ausgangspunkt ihrer gesellschaftsverändernden Praxis. Diese gilt es weiter zu entwickeln und strikt zu vermeiden, sich dabei auf seine Subkultur zu beschränken.

Auch im Bezug auf den Kapitalismus gilt es manche Grundüberzeugung auf den Prüfstand zu stellen. Wir schlagen vor, sich von der Idee zu verabschieden, der Staat sei der bessere Unternehmer. Es erscheint reizvoll der Anarchie des Marktes ein bisschen politische Kontrolle abzuringen, in dem die Leitung eines Unternehmens in staatlichen Händen liegt, aber auch der Staat ist an Konkurrenzdruck und Standortlogik gebunden.
Natürlich ist der Markt nicht der bessere Garant für eine gerechte Verteilung von Gütern. Wir müssen uns daran machen nach Wegen jenseits von Markt UND Staat zu suchen, das von uns Benötigte zu produzieren, zu verteilen und zu verwalten. Gleiches gilt auch für andere Herrschaftsverhältnisse: In der jetzigen Situation gibt es Grenzfälle, in denen der Staat Kraft seines Gewaltmonopols Minderheiten schützt. Blenden wir aber aus, dass der bürgerliche Staat eine kapitalistische Notwendigkeit ist, durchdrungen von patriarchalen und rassistischen Strukturen, laufen wir Gefahr, bei der Bekämpfung von Missständen auf einen Akteur zu setzen, der uns an anderer Stelle in den Rücken fallen wird.

Es geht also um eine kommunistische Praxis, die allen möglich ist und jetzt beginnen kann und die unmissverständlich klarstellt, dass wir es ernst meinen; eine Art Kommunistischer Gehversuch im Hier und Jetzt. Das muss unsere Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit sein. Lasst uns gemeinsam wieder ernsthaft über Alternativen sprechen und uns von solidarischen Projekten inspirieren. Dieses Wochenende ist ein Anfang und welchen Grund haben wir eigentlich zu warten? Oder sagen wir es mit Blockupy 2016 : An die Arbeit!

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