Die Verhältnisse zum Tanzen bringen – care revolution!
Blockupy ruft auch in diesem Jahr zu europäischen Tagen des Protestes in Frankfurt am Main gegen das Krisenregime der Europäischen Union auf. Am 31. Mai und 1. Juni 2013 wollen wir zusammen den Widerstand gegen die Verarmungspolitik von Regierung und Troika – der EZB, der EU-Kommission und des IWF – in eines der Zentren des europäischen Krisenregimes tragen: an den Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) und vieler deutscher Banken und Konzerne – Profiteuren dieser Politik.
Wir sind Teil dieses Protestes und wollen ihn mit queer-feministischen Interventionen verschärfen: Am Freitag wird es vormittags eine queer-feministische Tanzblockade geben. Wir wollen die herrschenden Verhältnisse zum Tanzen bringen! Gleichzeitig werden sich schon am Morgen kleinere Care-mobs bilden, die mit verschiedenen Aktionsformen und Blockaden dezentral in der Stadt unterwegs sein werden. Ziel der Care-mobs könnte sein, Reproduktionsverhältnisse und die Krise der Reproduktion sichtbar zu machen. Am Nachmittag werden wir uns dann zu einem größeren Care-mob zusammenschließen. Auf der Demonstration am Samstag werden wir unsere Kritik deutlich machen und im Rahmen eines queer-feministischen Blocks zur “Care revolution” aufrufen! Kommt im Camp vorbei, erkundigt euch, tragt mit euren Ideen dazu bei, den Widerstand gegen die Krise und die Einschränkung unserer Leben in die Öffentlichkeit zu tragen.
Unsere Doppelbelastung heißt Kapitalismus und Patriarchat!
Die aktuelle europäische Krisenpolitik übt einen ungeheuren Druck auf alle Bereiche der sozialen Reproduktion aus, seien es die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen, in der Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und die Doppelbelastung in den verschiedenen Formen privater Lebensgemeinschaften/Familien. Während es in den öffentlichen Debatten verstärkt um Rettungspakete für Banken und Staaten geht, rücken wir die Lebensbedingungen der Menschen in den Fokus und skandalisieren die herrschende Zuweisung von oft belastenden Aufgaben an Frauen.
Doch nicht nur Frauen und auch nicht alle Frauen sind von Kapitalismus, Patriarchat und den aktuellen Krisenlösungen gleichermaßen betroffen. Kapitalismus und Patriarchat, orientiert an der Figur eines weißen, heterosexuellen, gut situierten und gesunden Mannes, der weder Reproduktion/Care-Arbeit tätigt und vermeintlich auch nicht darauf angewiesen ist. Kapitalismus und Patriarchat reproduzieren Herrschaftsverhältnisse, die alle, die nicht dieser Figur entsprechen können oder wollen, betreffen, ihr Leben einschränken oder sie gar aus dem Leben ausschließen. Alle diese Einschränkungen werden durch die aktuellen Krisenlösungen verschärft. Die Sorgearbeit wird in neoliberaler Manier ins Private geschoben, die Krise der Sorgearbeit wird damit einer öffentlichen Diskussion entzogen.
Die Krise der Reproduktion hat viele Gesichter. Sie äußert sich in allen Ländern und in allen unterschiedlich. Hier bei uns in Deutschland fassen wir darunter, dass:
- Frauenhäuser, -notrufe und -beratungsstellen zum Teil durch Sparmaßnahmen bedroht sind, obwohl die Verschlechterung der ökonomischen Lebensbedingungen grade die Situation von Gewalt betroffenen Frauen verschärft.
- Jugendbildungsarbeit unter immer prekäreren Umständen stattfindet, Krankenhäuser privatisiert werden und der Personalstand keine ausreichende Versorgung mehr zulässt.
- geringe Löhne und Hartz IV den Alltag der Menschen, besonders mit Kindern, immer schwieriger machen und die Burn-Out Raten steigen.
- sich die Lebensbedingungen für Menschen ohne Papiere oder ohne Aufenthaltsgenehmigung verschlechtern,
- es lange Wartelisten für Kitaplätze gibt,
- Angebote für Gebärdendolmetschen und Assistenz für Behinderte nicht ausreichen
All diese Krisenfolgen sind in der Öffentlichkeit nicht präsent. Der Umgang mit ihnen wird privatisiert und soll individuell gelöst werden. Dies tragen in der Regel Frauen, denen in unserer Gesellschaft die Aufgabe zugeschrieben wird, aus „Liebe“ Ausbeutung als Normalzustand zu akzeptieren. Die Reproduktionskrise ist eine globale und vielfältige Krise, der wir nur mit globalem Widerstand entgegentreten können – ein Widerstand, der längst begonnen hat. Der Vereinzelung und individuellen Lösungsstrategien setzen wir Solidarität entgegen und entwickeln kollektive Handlungsstrategien.
Eine Revolution muss nicht in den Produktionsstätten der Waren beginnen. Wir lernen von den ländlichen, indigenen, antikolonialen und feministischen Bewegungen. Wir stehen an der Seite der Widerstandsbewegungen in den Betrieben, aber wir erweitern den Widerstand in den reproduktiven Bereich hinein. Die unbezahlte Ausbeutung hier senkt auf erhebliche Art und Weise die Kosten der Ware Arbeitskraft, steigert den Profit und wirkt so mit an der kapitalistischen Verwertung.
Ein Blick über den Tellerrand eröffnet neue Perspektiven und Strategien für ein Leben ohne Kapitalismus. Längst gibt es überall in der Welt Ansätze, die das Leben in den Mittelpunkt stellen. In allen Ländern, in denen die Troika aktuell Kürzungsmaßnahmen und Verelendung durchpeitscht, entstehen Alternativen zur kapitalistischen Produktionsweise, wachsen Solidarität und Widerstand. Unsere Solidarität gilt denen, die vom Krieg der Reichen gegen die Armen betroffen sind. Unsere Solidarität gilt denen, die zusammenstehen, Neues aufbauen und Widerstand gegen die Zerstörung von Mensch und Natur leisten.
Der Kapitalismus ist die Krise, jeden Tag, überall in der Welt. Er hat die Krise seit 2008 lediglich auch in Regionen getragen, die bisher im Windschatten des Kapitalismus standen. Von den Rändern der Krise werden wir den Widerstand ins Herz des europäischen Krisenregimes tragen. Wir werden die Blockupy – Proteste in Frankfurt mit feministischer Mobilisierung durchqueren:
Patriarchat und Kapitalismus den Boden entziehen: Das Leben in den Mittelpunkt stellen! Seid dabei! Rise up! Dance! Take care!
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