Der Bundeskongress 2018 hat beschlossen:
Positionierung zum Islamismus
„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ – Diese hohle Phrase konnte man im vergangen Monat in großen Lettern in den Zeitungen des ganzen Bundesgebietes lesen.
So unwahr und dämlich dieser Spruch des neuen Heimatministers Horst Seehofer auch ist, er steht symptomatisch für eine verkorkste Debatte über Islamismus die vom Großteil der Diskussionsteilnehmer_innen am Thema vorbei geführt wird. Als größter linksradikaler Jugendverband dieser Republik ist uns nicht daran gelegen bestimmen zu wollen, was zu Deutschland gehören mag und was nicht. Wir wollen uns in die Debatte um den politischen Islam einmischen und uns jeder Hetze – der rechten Fremdenfeindlichkeit, dem genuinen Rassismusvorwurf an Islamismuskritiker_innen, und dem Hass der Islamisten auf Ungläubige oder Minderheiten – entgegenstellen.
Da ein Antifaschismus auf Höhe der Zeit die individuelle Freiheit jedes Menschen gegen alle verteidigen muss, die sie einzuschränken versuchen, ist uns an einer materialistischen Kritik an den Phänomenen des politischen Islams gelegen. Geboten ist sie allemal: Während im Iran Homosexuelle an deutschen Baukränen aufgehangen werden und die Hamas in Israel Raketen auf Zivilgebiete abfeuert, marschiert der deutsche Handels- und NATO-Partner Türkei in Nordsyrien gemeinsam mit lokalen Djihadisten ein, welche insbesondere die kurdische und jesidische Bevölkerung in enormem Umfang bedrohen. In Ländern wie Indonesien, wo bisher gemäßigte Formen des Islams vorherrschten, sind radikale Kräfte massiv auf dem Vormarsch, und auch in Europa arbeiten islamistische Bewegungen zielgerichtet – sei es durch Akte des Terrors oder aber ganz legalistisch über die Lobbyarbeit in den Islamverbänden.
Was ist Islamismus?
Unter Islamismus definieren wir einen Oberbegriff unter dem sich mehrere politische Ideologien sammeln lassen, deren gemeinsamer Nenner in der Forderung nach einer radikalen Neuausrichtung der Gesellschaft anhand der heiligen Texte des Islams zu finden ist. Er entstand als Reflex auf die Moderne und die sie begleitenden Umwälzungen und ist als eine „aktivistische, reaktionär-regressive Widerspruchsverarbeitung angesichts einer objektiv-realen (ökonomischen, sozialen, politischen) und geistig kulturellen Krisensituation“[1] zu charakterisieren.
Das ideologische Fundament entstand bereits im 18. und 19. Jahrhundert als sich abzeichnete, dass die muslimische Welt technologisch, wissenschaftlich und militärisch von Europa abgehängt wurde. Der Grundgedanke dieses Frühislamismus: Die historische Schwäche der islamischen Welt liege in der unislamischen Lebensweise der Menschen. Um zurück zu alter Stärke zu finden, müssten die Muslime wieder gottgefälliger Leben. Durch die Rückbesinnung auf die Ursprünge soll der wesentliche Kern der Religion freigelegt werden.
Zum Instrumentarium von Islamisten zählt seitdem zwar die Thematisierung der destruktiven Symptome von Moderne und Kapitalismus jedoch nicht die Analyse der endogenen Ursachen für alle Krisen in der islamischen Welt. Folglich gehören heute regressive Ursachenbenennungen und die Konstruktion von Feindbildern zum festen Bestandteil jeder islamistischen Ideologie. Nach „innen“ äußert sich dieses Feindbild im Hass auf Zweifler und Apostaten, sowie all jene die durch einen angeblich sündhaften – „westlichen“ – Lebensstil auf eine Zerstörung der islamischen Ordnung hinarbeiten, also auch Homosexuelle, Transgender und Frauen, die das traditionelle Rollenbild in Frage stellen. Nach „außen“ mündet diese regressive Ursachensuche in einem antisemitischen Welterklärungsversuch, der sich zu einem verschwörungsideologischen Gebäude ausformt, demgemäß der „Westen“ und Israel die Verantwortlichen dieser inneren Krise seien.
Ideologischer Orientierungspunkt ist seit jeher der frühe Islam der ersten drei Generationen nach Mohammed, also der Islam in der Phase seiner Expansion. Heute zeigt sich der Islamismus nicht nur in seiner gewalttätigen Ausprägung (dem Djihadismus). Auch legalistische Gruppen trachten danach, einen islamischen Staat zu errichten.
Teil des Problems: Zum Wirken von legalistischen Islamisten in deutschen Islamverbänden
Auch wenn Seehofer den Islam nicht als Teil von Deutschland sehen möchte, so sollen laut ihm die Islamverbände doch weiterhin an wichtigen Entscheidungen teilhaben dürfen. Wir müssen dabei konstatieren, dass es sich dabei leider nicht um die liberalen und gemäßigten Kräfte handelt mit denen da geredet werden soll. Teil der deutschen Islamkonferenz sind mit dem Zentralrat der Muslime (ZMD), der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) und dem Islamrat (IR) genau die Verbände, die den Muslim_innen eine zutiefst konservative Auslegung des Islams predigen und in deren Reihen Islamisten geduldet werden.
Innerhalb des ZMD, welcher – anders als der Name suggeriert – nicht „die Mehrheit der Muslim_innen“ in Deutschland sondern nur etwa 0,5% von ihnen vertritt, wirkt mit der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine (ATIB) beispielsweise eine Organisation mit, die nach der Einschätzung von Ismail Küpeli in Verbindung zu den faschistischen Grauen Wölfen steht. Prägend für deren Ideologie ist der Hass auf Alevit_innen und Christ_innen. ATIB ist innerhalb des Zentralrates keineswegs isoliert. Mit Mehmet Alparslan Çelebi, welcher ua. die Armenien-Resolution des Bundestages verurteilt, stellen sie einen der stellvertretenden Vorsitzenden des ZMD.
Weiterhin Teil des Zentralrats sind Organisationen wie beispielsweise die IGD, die in einer ideologischen und historischen Verbindung zu der stramm antisemitischen, antidemokratischen und antikommunistischen Muslimbruderschaft stehen. Laut der Islamwissenschaftlerin Dr. Valentina Colombo zählt zu diesen Vereinigungen auch das Islamische Zentrum Aachen, die geistliche Heimat von Aiman Mazyek, seines Zeichens Vorsitzender des ZMD.
Ebenfalls im ZMD aktiv ist das Islamisches Zentrum Hamburg (IZH), wobei es sich um eine radikalislamische schiitische Institution handelt, welche direkt durch das iranische Regime kontrolliert wird und welches zu den Organisatoren des alljährlich stattfindenden antisemitischen Al-Quds-Marsches zählt.
Die DITIB wiederum geriet im vergangenen Jahr durch einen Spionageskandal in die Schlagzeilen. Bei ihr handelt es sich um eine politische Organisation durch welche das türkische Regime versucht auf die Muslim_innen in Deutschland Einfluss zu nehmen. Kürzlich wurde bekannt, dass sie eine Jugendreise in die Türkei durchführte, bei der sie zu Besuch im Präsidentenpalais beim „obersten Heerführer“ waren. Im Zuge des türkischen Angriffs gegen Afrin, rief sie in ihren Moscheen dazu auf, für einen schnellen Sieg der türkischen Truppen und ihrer islamistischen Verbündeten zu beten.
Innerhalb des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland besitzt die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), der islamistische Tendenzen vorgeworfen werden, den größten Einfluss. Sie ist die mitgliederstärkste Teilorganisation und der ehemalige IGMG-Funktionär Ali Kızılkaya ist derzeit Vorsitzender des IR. 2010 leiteten Funktionäre der IGMG über einen Hilfsverein – die mittlerweile verbotene „Internationale Humanitäre Hilfsorganisation“ – Gelder in Höhe von 6,6 Millionen Euro an die antisemitische Terrororganisation Hamas weiter.
Unsere Positionen und Forderungen
- Die Linksjugend spricht sich gegen den Versuch aus, jede Kritik am politischen Islam pauschal als Rassismus zu brandmarken.
- Keine Zusammenarbeit mit Islamisten und den Angehörigen ihrer Tarnorganisationen!Vollständiger Ausschluss von Vereinen wie der DITIB von der staatlichen Förderung.
- Wir unterstützen die liberalen muslimischen Kräfte wie z.B. das Muslimische Forum Deutschland oder die ibn-Rushd-Goethe-Moschee von Seyran Ateş.
- Solidarität mit allen durch den Islamismus unterdrückten Menschen und Solidarität mit allen die so wie in Rojava und im Iran gegen ihn aufbegehren.
- Wir fordern von der Bundesregierung eine Änderung ihrer Türkeipolitik und ein konsequentes Verbot von Waffenlieferungen an die Türkei und andere islamistische Regime.
- Die Linksjugend spricht sich für ein vollständiges Verbot der islamistischen und antisemitischen Hisbollah in Deutschland und Europa aus und wirkt auf die Partei ein diese Position ebenfalls zu übernehmen.
[1]Krauss, Hartmut: Islam, Islamismus und muslimische Gegengesellschaft. Osnabrück: 2008. S.133