Der Bundeskongress 2018 hat beschlossen:
In unserer Gesellschaft herrscht immer noch in weiten Teilen ein sexistisches Menschenbild vor, das sich in der Pornographie spiegelt. Dies ist ein Zustand, den wir für intolerabel halten.
In Mainstream-Pornographie dominieren sexistische und rassistische Stereotype. Dabei wird ein standardisierter „Optimal“-Körper in den Mittelpunkt gerückt und als einzig begehrenswertes Ideal dargestellt, es besteht kein Bezug zur in der Realität bestehenden Diversität von Körperformen. Der dargestellte Sex verkommt zu einer Art Leistungssport. Dabei funktioniert alles mechanisch perfekt, nichts erinnert daran, dass dort zwei individuelle Menschen miteinander interagieren – es funktioniert scheinbar alles auf Anhieb, es gibt keine Kommunikation bezüglich Vorlieben und Empfinden, genau so wenig wie Scheitern und Neu-Ausprobieren. Die Komponenten von Sexualität, welche durch das Aufeinandertreffen von Menschen entstehen, werden gänzlich ausgeblendet. Auch in der Pornographie-Industrie schafft sich der Markt das Konsumverhalten, welches seinen Prinzipien am ehesten entspricht: Leistung, Abwertung und Dominanz.
Pornographie ist für viele Menschen ein Teil ihrer Sexualität, formt Interessen und Vorstellungen innerhalb und außerhalb der Sexualität mit.
Somit besteht die Gefahr, dass Jugendliche viel zu oft mit völlig unrealistischen Vorstellungen in ihr Sexualleben starten. Dabei wird ihnen die Möglichkeit wesentlich erschwert, ein selbstbewusstes und natürliches Verhältnis zu sich, ihrem Körper, ihrer Sexualität und ihrer Gesundheit zu entwickeln.
Eine Möglichkeit, mehr Diversität, mehr Schönheit und eine von Normen weniger restringierte Pornographie zu ermöglichen besteht in der Förderung von Pornographie, die sich an den Interessen der Gestaltenden, nicht der Konsument*innen orientiert. Die Pornographie als Kunstform, welche sich der Erforschung von Lust und Erregung, Zwischenmenschlichkeit und Einsamkeit und was immer sie gerade darstellen möchte, widmet, ermöglicht auch den Konsument*innen eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität und Umwelt.
Sexualität, in ihrer Individualität und notwendigen Konflikten, ist ein zentraler Bestandteil der Menschlichkeit. In der jetzigen Gesellschaft, von der die Pornographie, gegen die wir uns wenden, ein Teil ist, wird Sexualität oft unter großem Druck und gegen das Individuum geformt. Wir richten uns gegen diese Zerstörung einer potentiellen Glücksquelle für Menschen. Pornographie, wie jede andere Kunstform, muss die Möglichkeiten haben das Schöne und das Grässliche darzustellen, wir richten uns dagegen, ein bestimmtes Aussehen von Kunst erzwingen zu wollen, wie es im Moment durch große Teile der Pornographie-Industrie passiert.
Eines der größten Hindernisse für Künstler*innen in der Pornographie ist die Schwierigkeit funktionierende Finanzierungsmodelle zu gewinnen. Eine zentrale Rolle in dieser Problematik spielen Urheberrechtsverletzungen im PornHub-Netzwerk und ein Mangel an Bereitschaft für Pornographie zu bezahlen. Dieser Mangel an Bereitschaft zur Bezahlung ist eng verknüpft mit den Versuchen von Online-Payment-Anbietern alle Formen von Sexarbeit nicht über ihre Dienste bezahlbar zu machen, was Möglichkeiten einer einfachen und barrierefreien und dabei anonymen Bezahlung zerstört.
Vom Staat fordern wir, dass Möglichkeiten gefunden und umgesetzt werden, Pornographie wie andere Kunstformen davor zu schützen, dass fremde Akteure über die eigene Kunst gegen den eigenen Willen Gewinn erwirtschaften können. Von der Gesellschaft als ganzes müssen Wege gefunden werden Pornographie als Kunstform stärker zu ermöglichen. Die Linksjugend [’solid] soll in Zusammenarbeit mit Künsterler*innen im Pornographiebereich innerhalb eines Jahres ein realistisches Modell erarbeiten, wie Pornographie gefördert werden kann. Die Linksjugend [’solid] setzt sich gegenüber der Partei DIE LINKE ein auf parlamentarischem Weg die Stellung von Künstler*innen im Pornographiegenre zu stärken. Der Bsp*R wird damit beauftragt diesen Prozess zu organisieren.
In der Erarbeitung eines solchen Modells soll Bezug genommen werden auf bereits bestehende, erfolgreich finanzierte Kunstprojekte im Genre der Pornographie.