Im Verlauf des vergangenen Wochenendes erlebten wir eine Vielzahl polizeilicher Verfehlungen. Angefangen beim Entzug von Presseakkreditierungen und damit einhergehend bewusst rufschädigendem Verhalten, einer insgesamt eskalativ ausgerichteten Strategie bis hin zur Anstachelung des Online-Mobs. Zunehmende Militarisierung und Rückendeckung aus der Law&Order-Ecke der Politik senken das Vertrauen in die Fähigkeit zur Selbstkontrolle der Polizei. Die linksjugend [’solid] fordert daher die Einrichtung einer von Polizei und Innenministerium unabhängigen Behörde zur Untersuchung, Verfolgung und Verhinderung polizeilicher Rechtsbrüche.
Mit eigenen Augen konnten wir die schwerst bewaffnete Polizei in der Hamburger Innenstadt während einer Blockade innerhalb des gesperrten Bereichs beobachten. Eine Behörde, die Granatwerfer, verschiedenste automatische und chemische Waffen zu einer Demo bringt, umgeht faktisch das Verbot der Bundeswehr im Inneren. Auf verschiedene Weisen hat diese militarisierte Behörde den Rechtsstaat am vergangenen Wochenende herausgefordert: Gerichtsurteile wurden unter dem Vorwand sie seien unbekannt ignoriert, rechtswidriges Verhalten wurde damit gerechtfertigt, der Rechtsweg stünde den Betroffenen offen, die Pressefreiheit und die freie Anwaltswahl wurden massiv angegriffen. Dass nun von Seiten der CDU und SPD keinerlei Kritik an dem Polizeieinsatz zu hören ist – sie gar sich verbittet wird, zeigt, dass in diesen Parteien kein Interesse an Rechtsstaat und Gewaltenteilung besteht. Um einer solchen Auflösung der Gewaltentrennung entgegenzuwirken ist es unerlässlich das Prinzip der privilegierten Quelle gegenüber behördlichen Mitteilungen auszusetzen, wenn Behörden selbst Teil der Berichterstattung sind.
Weitergehend erklärt Paul Gruber, Bundessprecher der linksjugend [’solid]:
„Wer über Gewalt sprechen möchte, der sollte bei den G20 und der Polizei beginnen.“
Die ganzen Tage rund um den Gipfel bestätigte sich die Vermutung, dass die Polizei genauso eskalativ auftrat, um die Bilder zu erzeugen mit denen sie dann ihren unverhältnismäßigen Einsatz rechtfertigen konnte. Den Einsatz bei der „welcome to hell“-Demonstration oder die Räumung von Camps zeigten dies mehr als deutlich.
Trotz alle dem: Als linksjugend [’solid] beteiligten wir uns an den verschiedensten erfolgreichen Blockaden und an der Großdemonstration gegen den G20-Gipfel. Wir halten derartige Proteste für legitim und notwendig, denn in Zeiten von immer heftigeren globalen Krisen und der angeblichen Alternativlosigkeit zu den bestehenden Herrschaftsverhältnissen, ist es wichtig radikale Forderungen zu stellen und den Kapitalismus grundlegend in Frage zu stellen.
Auch in linken Szenen muss in Folge des Gipfels diskutiert werden. Wir wollen uns keinesfalls von militanten Selbstschutz distanzieren, jedoch haben die selbstgefälligen Gewaltexzesse absolut niemanden etwas genützt und der gesamten Breite der Proteste, von der Roten Flora bis hin zum Demobündnis „Grenzenlose Solidarität statt G20“, geschadet. Die Empörung der Regierungsparteien über die Gewalt ist jedoch mindestens heuchlerisch, bleibt sie doch bei rechten Morden und Verwüstungen wiederholt erschreckend stumm.