Beschluss des Bundeskongress 2015.
Selbsternannte „Lebenschützer*innen“, aggressiver Antifeminismus in Parteien wie der Alternative für Deutschland, tourende „Pick-Up-Artists“[1], 23% Lohnunterschied zwischen Männern* und Frauen*, alltägliche Erfahrungen mit Sexismus und auch Sexismus unter vermeintlich aufgeklärten linken Menschen sind viele Facetten des real existierenden Patriarchats. Dass in unserer Gesellschaft Frauen* beherrscht werden, weiblich Konnotiertes abgewertet wird und all diejenigen, die sich nicht in die künstlichen Kategorien Mann* und Frau* einordnen, gewaltvoll diskriminiert werden, ist eine Tatsache. Es bedarf keiner Debatte darüber, ob es Sexismus gibt, oder darüber, ob Sprüche wie die von Rainer Brüderle vielleicht doch „ganz nett gemeint“ und „nicht so schlimm“ sind. Notwendig ist eine Debatte darüber, wie wir weiterhin Feminismus offensiv in die Gesellschaft tragen, Politisierung und Empowerment von Frauen* stärken und auch gegen Sexismus in eigenen Strukturen vorgehen können.
Dazu müssen wir gemeinsam kämpfen für ein besseres, gleichberechtigtes Leben. Auch müssen wir eine Perspektive aufstellen, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, die nicht auf der Unterdrückung und Ausbeutung der Frau beruht sondern beispielsweise „häusliche“ Aufgaben vergesellschaftet – Beispiele dafür sind Forderungen wie öffentliche Küchen oder eine gesellschaftliche Organisierung von Kinderbetreuung.
Kapitalismus, Krise und Krieg bedeutet vielerorts eine rapide Absenkung der Lebensstandards. Damit geht eine zunehmende Prekarisierung im besonderem Maße von Frauen und LGBTIQ einher. Diese erschwert gesellschaftliche Zugänge der eben genannten Gruppen und beschränkt sie beispielsweise auf „häusliche Aufgaben“ oder Reproduktion innerhalb der globalen Wertschöpfungskette. Diese Situation verhindert den Ausbruch aus diskriminierenden Strukturen, Verarmung und der Konfrontation mit häuslicher, homosexuellen- und transgenderfeindlicher Gewalt. Deshalb verstehen wir Feminismus auch als gemeinsamen Kampf aller Geschlechter und sexueller Identitäten an sozialen Fragen. Das bedeutet dass wir die Beteiligung von Frauen und LGBTIQ in Streikbewegungen stärken, die Frauenfrage und Homo- und Transgenderfeindlichkeit bei sozialen Kürzungen auf die Tagesordnung setzen usw.
Es ist uns in den letzten zwei Jahren gelungen, mit einem breiten Bündnis den 8. März als Frauen*kampftag zu repolitisieren. Wir sind in Berlin 2014 mit 5000, 2015 sogar mit 8000 Menschen auf die Straße gegangen und haben bunt, laut und kämpferisch feministische Anliegen in die Öffentlichkeit getragen. Im Frauen*kampftagsbündnis wurde ein feministischer Austausch über Widersprüche hinweg ermöglicht, Kräfte gebündelt und Vernetzung vorangetrieben. Bereits in den letzten Jahren haben lokale Bündnisse zahlreiche Bildungsveranstaltungen rund um den 8. März organisiert und nach Berlin mobilisiert. Das Frauen*kampftagbündnis in Leipzig hat in diesem Jahr zum ersten Mal eine eigene erfolgreiche Demonstration mit tausend Menschen organisiert.
Unser Ziel ist es, den Frauen*kampftag in die ganze Republik zu tragen. Dies stellt uns vor die Herausforderung der Vernetzung verschiedener Bündnisse und erfordert die aktive Mitarbeit aller Landesverbände. Wir werden weiterhin das bundesweite Frauen*kampftagsbündnis stärken, Vernetzung vorantreiben und auf Landes- und Stadtebene aktiv werden und bleiben, um den 8. März weiterhin als kämpferischen Tag gegen das Patriarchat in all seinen Formen, Trans* Inter- und Homophobie zu setzen.
Doch mit einem Tag im Jahr ist es nicht getan – solange das Patriachiat noch existiert und von reaktionären Kräften proklamiert wird, ist an 365 Tagen im Jahr Frauen*kampftag. Zu unserem feministischen Engagement gehört, dass wir antifeministischen Aufmäschen, wie beispielsweise dem „Marsch für das Leben“, der jährlich von christlichen Fundamentalist*innen und Abtreibungsgegner*innen organisiert wird, offensiv entgegentreten und uns an Gegenaktionen und kreativen Protesten beteiligen, um das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu verteidigen.
Auch unser eigenes politisches Engagement findet nicht außerhalb der patriarchalen Verhätnisse statt und auch linke Theoretiker*innen waren und sind häufig auf dem Geschlechterauge blind, sodass sich Sexismus und männliche Dominanz auch in Theorie und Praxis des Jugendverbandes wiederfinden. Wir werden die Arbeit des in den vergangenen Jahren stattfindende Frauen*förderprogramm weiterführen und unter dem neuen Namen SoF*A(Selbstorganisierte Frauen*Akademie) Seminare organisieren, um Frauen* im Verband zu stärken und Vernetzung voranzutreiben. Des weiteren werden wir die Awarenessstruktur stärken. Eine feministische Zukunftswerkstatt und/oder eine Frauen*konferenz sehen wir als weitere Möglichkeit, Frauen im Verband zu aktivieren und neue Ideen für feministische Praxis und Interventionen zu entwickeln.
[1] Als „Pick-Up-Artist“ werden Männer bezeichnet, die verschiedene Methoden entwickeln und anwenden um möglichst viele Frauen zu „verführen“. Dabei wird nicht nur Manipulation, sondern teilweise auch körperliche Gewalt angewandt. Diese Methoden werden dann in Seminaren anderen Männern weitervermittelt. Das Vorgehen der Coaches auf den Seminaren bewirkt nicht nur, dass Männer Frauen als Objekte sehen. Sondern auch, dass sie zu empathielosen Arschlöchern erzogen werden.